Österreich will an den Tisch der Mächtigen

Zehn Millionen Euro ist Österreich der Sitz im Sicherheitsrat wert – pro Jahr. So viel wird laut Außenministerium heuer und 2026 in den Wahlkampf gesteckt, das heißt in freiwilliges Engagement bei UN-Projekten, die Austragung von internationalen Konferenzen in Österreich – und zu einem kleinen Teil in die Reisekosten der Gesandten.
Die Aufnahme als nicht-ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN), das mächtigste Gremium der UN, für die zweijährige Periode 2027 und 2028 – "da boxen wir über unserer Gewichtsklasse", beschreibt es ein hochrangiger österreichischer Diplomat.
Seit 2011 verfolgt Österreich die Kandidatur, eingeschlagen wurde der Weg unter ÖVP-Außenminister Michael Spindelegger. Gewählt wird im Juni nächsten Jahres, wahlberechtigt sind alle 193 Länder der UN. Zwei Plätze sind Europa sicher, Österreich konkurriert gegen Deutschland und Portugal. Gebraucht werden die Stimmen von zwei Drittel der Länder, also 129. Seit Jahren wird darum geworben, es gilt das einfache Prinzip des Tauschhandels: Wählst du mich, wähle ich dich oder stimme ich mit dir, in einem anderen UN-Gremium oder bei der nächsten Resolution.
Doch was hätte Österreich überhaupt von einem Sitz im UN-Sicherheitsrat?
"Statusgewinn"
"Für Kleinstaaten ist das eine sehr gute Gelegenheit, die internationale Agenda zu beeinflussen. Österreich kann Themen auf die Tagesordnung setzen und sich bei Debatten im Sicherheitsrat einbringen", erklärt Politikwissenschafter Martin Senn von der Universität Innsbruck.
Die Bewerbung passt zum außenpolitischen Profil, das sich Österreich nach 1955 zugelegt hat, so Senn weiter: "Man beteiligt sich proaktiv an internationalen Gremien, positioniert sich als Vermittler und Taktgeber der Diplomatie." Eine Mitgliedschaft sei ein "Statusgewinn" auf dem internationalen Parkett.
Ebenso betont Senn die Anforderungen, die eine Mitgliedschaft mit sich bringt – "sehr viele Meetings und Agenden, hohe Anforderungen an das Personal vor Ort."
Klassische Themen, für die sich Österreich in der Vergangenheit im Sicherheitsrat eingesetzt hat: Menschen- und Minderheitsrechte, Abrüstung, der Schutz von Zivilisten in Kriegen. Ein Beispiel: 2009 brachte Österreich während seiner Mitgliedschaft die Resolution 1894 "Schutz von Zivilisten" ein, die vom Sicherheitsrat angenommen wurde.
Darauf aufbauend wurden Ausbildungsprogramme für Führungskräfte in NGOs zum Schutz von Zivilisten entwickelt. Thematisch dürften die Schwerpunkte Österreichs, sollten wir zum Zug kommen, dieselben bleiben.
Abgesehen von der Themensetzung: Wie "mächtig" wäre Österreich neben den permanenten Mitgliedern Frankreich, Russland, Großbritannien, USA und China?
Für Österreich wäre es das vierte Mal – nach 1973/74, 1991/92 und 2009/10 – als nicht-ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Dieser gilt, weil völkerrechtlich bindend, als das mächtigste Organ der UN. In der Praxis wird seine Macht jedoch durch die Nicht-Sanktionierung von Völkerrechtsverstößen geschwächt. Für die Annahme einer Resolution braucht es mindestens neun von 15 Stimmen, inklusive der fünf Vetomächte. Der Staat, der am häufigsten als nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat saß, ist Japan – mit 12 Mitgliedschaften.
Gemeinsam mächtig
"Es gilt das Mehrheitsprinzip. Damit haben die nicht-ständigen Mitglieder eine indirekte Vetomöglichkeit", erklärt Senn. Verweigern sieben nicht-ständige der 15 Mitglieder im Rat ihre Zustimmung, können sie Resolutionen genauso blockieren wie eine Vetomacht. Für den Beschluss einer Resolution sind mindestens neun Stimmen inklusive der fünf Vetomächte nötig.
Immer wieder sind die Vetomacht sowie die ständige Mitgliedschaften im Sicherheitsrat Inhalt von Reformvorschlägen: Das Kräfteverhältnis sei nicht mehr zeitgemäß, die Exklusion afrikanischer und südamerikanischer Länder zu kritisieren.
Eine baldige Reform hält Senn aber für unwahrscheinlich, zu groß seien die Konflikte – Ukraine-Krieg, Zölle, etc. – zwischen den ständigen Mitgliedern, als dass sie sich auf eine Neuordnung oder gar Beschränkung ihrer Macht einigen könnten: "Im Gegenteil, wir sehen, dass die Vetonutzung wieder zunimmt. Während es in den 40er- und 70er-Jahren besonders viele waren, wurden sie in den 90er-Jahren weitaus weniger." Ein Land, das seine Blockademöglichkeit zuletzt stärker nutzte: China.
Und wie stehen die Chancen Österreichs, bei all dem mit am Tisch zu sitzen? Mit Prognosen ist jeder vorsichtig, Tauschgeschäfte sind bekanntlich bis zum Schluss mit Unsicherheit verbunden. Weshalb Österreich bei der UN-Generalversammlung mit Bundespräsident Alexander van der Bellen, Kanzler Christian Stocker (ÖVP) und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) alle Geschütze auffährt, während Deutschland nur Außenminister Johann Wadephul (CDU) schickt. Wahrscheinlich, dass das auch den anderen Ländern auffällt, und Österreich, wie manche Medien schon hoffen, ein "diplomatischer Córdoba-Sieg" gelingt.
Nächster Serienteil: Die Friedensmissionen der UNO.
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