Zweites Beobachterteam der OSZE wieder frei

Die Separatisten bereiten sich indes für die Zeit nach der Waffenruhe vor - sie rüsten auf.

Gute und schlechte Nachrichten kommen aus der Ukraine: Prorussische Separatisten haben nun auch das zweite Ende Mai verschleppte OSZE-Beobachterteam freigelassen. Die vier in Lugansk festgesetzten Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa seien frei, teilte die Organisation am Samstagabend auf Twitter und Facebook mit. Die Separatisten hatten ihre Freilassung bereits am Freitag angekündigt. Die vier Beobachter seien mittlerweile in Donezk, ihr Zustand sei gut, hieß es in einer OSZE-Aussendung. Demnach handelt es sich um Staatsbürger Deutschlands, Russlands, der Niederlande und Spanien.

OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier begrüßte die "lang erwartete" Freilassung der Beobachter. Die Organisation sei "stolz auf ihren Beitrag und bewundere ihren Mut angesichts der äußerst schwierigen Umstände". Die OSZE-Mission, die gegenwärtig aus 300 Beobachtern besteht, will ihre Arbeit in Donezk und Lugansk weiter fortsetze. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier lobte auch die Rolle Russlands: "Die trilaterale Kontaktgruppe hat eine wichtige Rolle beim guten Ausgang der Geiselnahme gespielt."

Bereits in der Nacht auf Freitag war das erste Team von vier verschleppten Beobachtern frei gekommen. Sie landeten am späten Freitagabend in Wien. Mittlerweile seien sie in ihre Heimatländer - die Schweiz, Dänemark, die Türkei und Estland - weitergeflogen, teilte die OSZE mit. Beide Teams waren vor rund einem Monat von bewaffneten prorussischen Separatisten in der Ostukraine verschleppt worden. Ein Team hatte die Region Donezk überwacht, die zweite Gruppe wurden bei Lugansk festgesetzt.

Indes reißt die Gewalt im Osten des Landes nicht ab. Noch bis Montag gibt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den prorussischen Kräften im Osten Zeit, ihre Waffen niederzulegen. Doch die Konfliktparteien rüsten sich schon für ein Ende der Feuerpause und für ein mögliches neues Blutvergießen.

Andauernde Gewalt in Donezk

Nach der Verlängerung der Waffenruhe für die Ostukraine berichten beide Seiten des Konflikts von einer andauernden Gewalt in der Region Donezk. "In Kramatorsk gehen die Militäraktionen weiter", sagte der Separatistenführer Miroslaw Rudenko der Agentur Interfax zufolge am Samstag.

Er behauptete, dass die in der Nacht von Poroschenko bis Montag verlängerte Waffenruhe nur das Ziel habe, das Militär für einen Schlag gegen die Separatisten in Stellung zu bringen.

Gegenseitige Vorwürfe

Dagegen warfen regierungsnahe Kräfte den Separatisten vor, Soldaten auf dem Flughafen von Kramatorsk beschossen zu haben. Es habe aber keine Opfer gegeben, teilte der prominente Militärexperte Dmitri Tymtschuk in Kiew mit.

Die seit 20. Juni geltende Feuerpause soll nach Regierungsangaben dazu genutzt werden, Poroschenkos Friedensplan umzusetzen.

Regierungstruppen sollen abziehen

Die Separatisten verlangen für den Beginn eines Friedensdialogs den Abzug aller Regierungstruppen aus der Ostukraine. Sie lehnen es deshalb bisher ab, die Waffen niederzulegen.

In der ebenfalls von den prorussischen Kräften beanspruchten Region Lugansk rüsteten sich die Separatisten für neue Angriffe. Sie legten nach eigener Darstellung mehr als 60 Bunker zum Schutz gegen Bombenangriffe an.

Waffenruhe endet am Montag

Der ukrainische Verteidigungsminister Michail Kowal sagte, dass es trotz der Waffenruhe vereinzelte Provokationen gegeben habe. "Aber wir kontrollieren den Prozess", sagte er. In Kiew bestätigte Andrej Lyssenko, der Sprecher des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung, dass es einen Plan für die Zeit nach der Feuerpause gebe. Die Waffenruhe endet am Montag um 21.00 Uhr MESZ.

Russland lobt Friedensbemühungen

Der russische Außenminister Sergej Lawrow lobte im Staatsfernsehen die Friedensbemühungen von Staatschef Poroschenko. Es gebe aber auch noch andere Akteure in der ukrainischen Führung, darunter radikale und ultranationalistische Kräfte, Anhänger des Rechten Sektors sowie bezahlte Einheiten des Oligarchen und Dnjepropetrowsker Gouverneurs Igor Kolomojski.

Diese Gruppierungen seien einflussreich und hörten nicht auf Poroschenkos Kommando, sagte Lawrow. "Nun, und dann gibt es auch noch unsere amerikanischen Kollegen, die - und dafür gibt es viele Beweise - bei alledem versuchen, die ukrainische Führung auf den Weg der Konfrontation zu bringen", sagte Lawrow im Fernsehen.

Hunderte Tode bei Kämpfen

Die ukrainische Regierung hatte im April mit ihrer umstrittenen "Anti-Terror-Operation" in der Ostukraine begonnen und dabei auch Kampfflugzeuge, Panzer und Artillerie eingesetzt. Hunderte Menschen starben bisher bei den Kämpfen.

Auch Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht trotz der Verlängerung der Waffenruhe für die Ostukraine die Lage in dem Land nicht entscheidend entschärft. Entscheidende Schritte müssten folgen, um Präsident Poroschenko Argumente an die Hand zu geben, den Waffenstillstand noch einmal zu verlängern, sagte Steinmeier auf einer Konferenz der schleswig-holsteinischen SPD am Samstag in Kiel.

Eine Freilassung weiterer OSZE-Beobachter könnte dafür belastbare Argumente geben. Trotz der möglicherweise gelungenen Beruhigung in den letzten Tagen bleibe die Gefahr einer Spaltung Europas real.

Mit einem Friedensplan in 15 Punkten will der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die von blutigen Kämpfen erschütterte Ostukraine zur Ruhe bringen. Dazu hat er die am 20. Juni angeordnete Feuerpause nun bis zu 30. Juni verlängert. Der Friedensplan des Präsidenten der Ukraine zur Regulierung der Situation in den östlichen Regionen der Ukraine

1. Sicherheitsgarantien für alle Teilnehmer an Verhandlungen.

2. Befreiung von strafrechtlicher Verfolgung derjenigen, die die Waffen niederlegen und keine schweren Verbrechen begangen haben.

3. Freilassung von Gefangenen.

4. Schaffung einer Pufferzone von zehn Kilometern an der russisch-ukrainischen Grenze. Abzug illegal bewaffneter Formierungen.

5. Garantierter Korridor für den Abzug russischer und ukrainischer Söldner.

6. Entwaffnung.

7. Schaffung von Einheiten innerhalb der Struktur des Innenministeriums für die Absicherung gemeinsamer Patrouillen.

8. Freigabe illegal besetzter administrativer Gebäude in den Donezker und Lugansker Gebieten.

9. Wiederherstellung der Tätigkeit der örtlichen Machtorgane.

10. Wiederaufnahme der zentralen Fernseh- und Radioübertragung in den Donezker und Lugansker Gebieten.

11. Dezentralisierung der Macht (durch die Wahl von Komitees, Schutz der russischen Sprache, Projekt einer Verfassungsänderung).

12. Absprache der Gouverneure mit den Vertretern des Donbass vor Wahlen (Einigung auf eine Kandidatur, bei Uneinigkeit trifft der Präsident die Entscheidung).

13. Vorgezogene Kommunal- und Parlamentswahlen.

14. Programm für die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region.

15. Wiederaufbau von Industrieobjekten und sozialer Infrastruktur.

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