Russische Medien orakeln über Nehammer-Besuch: Hat er Putin "erpresst"?

Dass Österreichs Kanzler Karl Nehammer bei seinem Besuch in Nowo-Ogarjowo am Montag darauf bestanden hat, dass es keine Fotos und kein gemeinsames Statement von ihm und Wladimir Putin geben dürfe, sollte eigentlich Propaganda auf Kosten Österreichs verhindern. Das hat nicht ganz funktioniert: In den russischen Medien ist in das "geheime Treffen" so einiges hineininterpretiert worden. Mit wohlwollender Unterstützung des Kreml, kann man annehmen.
"Erpressung“
Die Prawda etwa holte zum ganz großen Rundumschlag aus: Nehammer sei aus purem Eigennutz nach Moskau gereist, war dort zu lesen - er habe Putin sogar "erpressen" wollen. Weil Österreich zu 80 Prozent von russischem Gas abhängig und ein großer europäischer Gas-Knotenpunkt sei, habe Österreichs Kanzler Putin zu besseren Bedingungen drängen wollen. Dies bestätigten „gut informierte Quellen“ dem Blatt. Putin jedenfalls habe abgelehnt und Nehammer mitgeteilt, dass „alle unfreundlichen Länder“ dieselben Konditionen hätten. Nehammers Drohung habe übrigens darin bestanden, dass er Putin – sofern er ihm nicht entgegenkomme - in internationalen Medien als "Schlächter" bezeichnen werde.
Ähnlich abenteuerlich lesen sich Einschätzungen von teils bekannten Politologen auf kremlfreundlichen News-Portalen wie life.ru oder beim Fernsehsender 360°. Nehammer habe bei seinem Besuch wohl über eine mögliche NATO-Mitgliedschaft mit Putin reden wolle, heißt es da etwa – Russland habe als eine der Signatarmächte des Staatsvertrags da nämlich ein Mitspracherecht. Geredet worden sei auch über die Gefangennahme von NATO-Ausbildnern in Mariupol, deren Auslieferung Nehammer erreichen habe wollen. Die tatsächlichen Gesprächsinhalte - humanitäre Korridore, Sanktionen, Kriegsverbrechen - blieben völlig unerwähnt.
Kriegsverbrechen – nur von wem?
Die einflussreichen Medien wie Kommersant, Komsomolskaja Prawda und Izvestija gaben sich vergleichsweise sehr zurückhaltend. Dort wurde Österreichs Rolle als neutraler Mittler gelobt, jedoch durch die Bank kritisiert, dass es auf Druck Wiens kein Medienstatement des Kreml gegeben habe. "Das ist in der Tat sehr selten", hieß es.
Die tatsächlichen Gesprächsinhalte las man aber auch dort nur ausschnittsweise. Dass Österreichs Kanzler Putin auf die Kriegsverbrechen in Butscha angesprochen hat, ist ausschließlich im Kommersant zu lesen – allerdings ohne den Hinweis, wer diese Gräueltaten verübt haben soll. Der Kreml wirft der Ukraine bekanntlich vor, die Verbrechen wahlweise selbst verübt oder nur inszeniert zu haben.
Putins Sprecher hielt sich übrigens an die Abmachung, über Gesprächsinhalte zu schweigen. Dmitrij Peskow sagte nur einen Satz: Das Treffen habe "kürzer als andere vergleichbare Gespräche" gedauert. Das spricht auch für sich.
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