Mit dem Hut in der Hand
Am dringendsten gebraucht wird derzeit Munition für die ukrainische Artillerie. Weil die europäischen Lager längst leer sind und die Produktion für den wahnwitzigen Verbrauch an der Front viel zu langsam läuft, hat Tschechien eine neue Initiative gestartet. Man hat Bestände in mehreren Ländern außerhalb Europas aufgespürt, will die aufkaufen und in die Ukraine liefern. Doch schon das Geld dafür zu besorgen - es geht um einen einstelligen Milliardenbetrag - fällt schwer. Man laufe quasi „mit dem Hut in der Hand“ bei den Regierungschef herum, erzählt eine hochrangige Vertreterin der Prager Regierung und versuche Geld einzusammeln.
Russlands Milliarden
Österreich kann sich da ohnehin bequem auf seine Neutralität zurückziehen. Für Waffenkäufe, das betonte auch Bundeskanzler Nehammer, gebe es natürlich kein Geld aus Wien.
Das gilt auch für die zweite Möglichkeit, an Geld für Waffen zu kommen: die in Europa gelagerten und seit Kriegsausbruch eingefrorenen Milliarden der russischen Zentralbank. Die selbst anzutasten kommt für die EU nicht in Frage. Wenigstens aber die Zinsen, die dieses Geld abwirft – immerhin jährlich rund 5 Milliarden Euro – will man jetzt endgültig verwenden – für die Ukraine, so der Beschluss auf dem Gipfel.
Geld für Waffen
Schon ab Juli soll das Geld fließen. Das meiste davon soll für Waffen ausgegeben werden, lautet der Vorschlag von EU-„Außenminister“ Josep Borrell, der jetzt umgesetzt werden soll. Sogar Österreich hat seine juristischen und politischen Vorbehalte zurückgestellt.
Der Kanzler betont aber weiter, es wäre es leichter zu rechtfertigen, wenn die Milliarden für den Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur verwendet würden und nicht für Waffen.
Da man letztere aber dringender als alles andere braucht, sollen die Milliarden schließlich doch genau dafür verwendet werden. Österreich hält sich dabei einfach heraus, schließlich will man nicht die Neutralität gefährden.
Auch Ungarn etwa hat Waffenkäufe definitiv ausgeschlossen. Zuletzt blieben beide Staaten bei ihrer Enthaltung, ohne die anderen zu blockieren.
Streit um Schulden
Um ganz andere Summen aber geht es, wenn Europa damit beginnen will, sich selbst besser zu bewaffnen und die eigene Rüstungsindustrie auszubauen: um die Ukraine langfristig zu unterstützen, aber auch für den neuen Kalten Krieg, der wohl die nächsten Jahre die Politik gegenüber Russland bestimmen wird.
Das Geld dafür findet sich in kaum einem der von der Krise belasteten Budgets der EU-Mitglieder. Warum also nicht gemeinsam, als EU, neue Schulden machen? So sieht das zumindest Frankreich, der gewichtigste Fürsprecher für diese neuen EU-Anleihen. Strikt dagegen sind Länder wie Deutschland und auch Österreich. Gemeinsame Schulden habe die EU einmal aufgenommen, um die Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen – und das müsse eine absolute Ausnahme bleiben.
Wo also die Mittel für die „intensive“ Unterstützung der Ukraine herkommen sollen, wird wohl auch auf diesem EU-Gipfel nicht klar werden. Wo diese Unterstützung ihre Grenzen hat, das wurde schon unmittelbar vor dem Gipfel klar: beim Import ukrainischer Agrarprodukte in die EU. Der wird nämlich jetzt wieder streng beschränkt.
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