Bomben, Schlamm, Tote: Zwei Soldaten erzählen vom Überleben an der Front

Ausnahmezustand: Teils sind Soldaten ein Jahr durchgehend an der Front (Symbolbild)
Ihor und Sarmat stehen seit 663 Tagen an der ukrainischen Front. Hier erzählen sie, wie normal sich Krieg anfühlen kann -und was es mit ihnen macht, dass der Westen das nicht mehr hören will.

Ein Jahr. 365 Tage, in denen er im Dreck schlief, zum Teil ohne Essen auskam, manchmal tagelang nicht wusste, ob er die Stimme seiner Freundin je wieder hören würde. In denen der Beschuss nicht aufzuhören schien, der Schlamm in jede Pore kroch, die Kälte sowieso, und in dem die Bomben irgendwann zum Hintergrundrauschen wurden.

So lang war Sarmat nicht mehr zu Hause. So lang war er durchgehend an der Front. 

Wie hält man das nur aus?

Eine „normale“ Arbeit

Sarmat lächelt milde. „Das ist normal“, sagt er, als wir ihn im Videocall erreichen. Der 31-Jährige hat gerade Pause, sitzt im Lager seiner Einheit wenige Kilometer hinter der eigentlichen Front. Er trägt ein braunes Shirt, der Raum ist abgedunkelt.

30 Tage Urlaub hat jeder Soldat in der Ukraine, die kann er sich am Stück oder in zwei Teilen nehmen. Einfach die Zelte abbrechen, sagen, ich will nicht mehr, das ist nicht vorgesehen an der Front. Und das will auch keiner, gibt Sarmat zu verstehen. „Irgendwann wird es zu einer gewöhnlichen Arbeit“, sagt er.

Gewöhnlich, normal, das sind Begriffe, die haben in der Ukraine seit dem 24. Februar 2022 eine andere Bedeutung. Für Sarmat hieß das früher, ein Spielecafé in Donezk zu haben, Geld mit der Freude anderer zu verdienen. Für Ihor Zhaloba hieß es, in Kiew im Hörsaal zu stehen, und die Geschichte seines Landes zu unterrichten. Jetzt hat der 59-Jährige Fronturlaub, besucht ehemalige Kollegen in Wien. Als er in einem Wiener Cafe eine Stunde lang von seiner neuen Arbeit, seinem neuen Leben als Soldat erzählt, rührt er seinen Tee kaum an.

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