Öffentlich kommuniziert hat Kiew das nicht, aber die politische Intention – die Retourkutsche – ist durchaus vorhanden. 70 Prozent des Öls in Ungarn kommen nach wie vor aus Russland, trotz des EU-Embargos, das Ende 2022 in Kraft trat. Allein im April dieses Jahres hat Budapest 250 Millionen nach Moskau überwiesen, für Öl und Gas. „Wir warten seit mehr als zwei Jahren darauf, dass die EU und die G7 echte Sanktionen gegen russisches Öl verhängen“, sagte Inna Sowsun, ukrainische Rada-Abgeordnete der pro-europäischen Holos-Partei, zu Politico. „Jetzt haben wir das in die Hand genommen.“
Sowsun spricht zwar nicht für die Regierung, aber die Haltungen gleichen sich: Immerhin nutze Putin das Steuergeld aus den Ölverkäufen für den Krieg, so ihr Argument. 180 Milliarden Dollar hat Russland 2023 an seinem Öl verdient, trotz westlicher Einfuhrsperren.
Keine Alternativen
Zwei Jahre hatten die EU-Staaten nach dem Embargo-Beschluss Zeit, aus russischem Öl auszusteigen. Im Gegensatz zu Tschechien und der Slowakei, die auch stark vom russischen Öl abhängig waren, hat Ungarn aber bisher kaum Anstalten gemacht, Alternativen zu suchen. Dementsprechend schwerwiegend könnten die Konsequenzen des Öl-Stopps für das Land sein: Bereits in einigen Wochen könnten Treibstoffengpässe auftreten, und als Konsequenz in die Höhe schnellende Preise, so die Prognose von Experten. Die Notreserven des Landes reichen drei Monate; die Wiederherstellung der Ölversorgung ist also ein Rennen gegen die Zeit.
In den ungarischen Medien ist das weniger Thema als die gefühlte Ungerechtigkeit, der sich Budapest ausgesetzt sieht. Außenminister Peter Szijjártó sprach von einem „inakzeptablen Schritt“ und drohte, aus Protest Gelder zu blockieren, mit denen die EU-Länder ihre Militärhilfen für die Ukraine finanzieren. Kiews Blockade widerspreche dem EU-Assoziierungsabkommen, in dem stehe, dass der Transit von Energiegütern nicht behindert werden darf.
Ob das so stimmt, ist nicht klar – denn durch die Druschba-Pipeline fließt durchaus Öl, nur keines mehr von Lukoil. Rohöl der russischen Giganten Rosneft und Tatneft kommt noch durch, ebenso kasachisches Rohöl, das nach Deutschland weiterfließt. Dennoch steht die EU unter Zugzwang, den Streit zu lösen, denn Budapest hat rechtliche Schritte angedroht, wenn das nicht geschieht. Auch die Slowakei hat sich dem angeschlossen: Das Land könnte zwar deutlich leichter aus russischen Öl aussteigen und hat es zum Gutteil auch schon. Politisch ist man seit der Wahl letzten Herbst aber massiv auf Distanz zur Ukraine gegangen – Premier Robert Fico ist da mit Orbán auf einer Linie.
Gas-Transit läuft aus
Österreich ist von dieser Blockade zwar nicht betroffen, aber mit Ende des Jahres läuft der Gastransitvertrag zwischen der Ukraine und Russland aus – dann wird kein russisches Gas über die Ukraine mehr nach Österreich fließen. Das ist angesichts der Abhängigkeit davon durchaus problematisch, zuletzt kamen wieder 90 Prozent des Gases aus Russland.
Hinter den Kulissen wird fieberhaft nach eine Lösung gesucht, da Kiew den Vertrag definitiv nicht erneuern will. Die jüngste Idee: Aserbaidschan könnte als Lieferant einspringen. Ob das aber bis Ende des Jahres gelingt und ob die Vorräte des Landes überhaupt reichen, ist völlig unklar.
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