Russland stärkt Verteidigung im Süden der Ukraine

Russland stärkt Verteidigung im Süden der Ukraine
Die Kämpfe in der ukrainischen Donbass-Region dürften wieder zunehmen.

Tag 144 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine:

Moskau nimmt nach Ansicht von britischen Geheimdienstexperten die Gefahr für seine Truppen in der Ukraine durch Gegenoffensiven der Verteidiger ernst. Russland verstärke seine defensiven Positionen im Süden der Ukraine, hieß es im täglichen Geheimdienst-Update des britischen Verteidigungsministeriums am Sonntag.

"Das beinhaltet die Bewegung von Personal, Material und defensiver Vorräte zwischen Mariupol und Saporischschja sowie in Kherson." Die russischen Truppen verstärkten zudem auch ihre Sicherheitsmaßnahmen in der besetzten südukrainischen Stadt Melitopol, hieß es weiter in der Mitteilung auf Twitter.

Die russischen Defensiv-Maßnahmen seien unter anderem wahrscheinlich eine Reaktion auf die Angriffe der Ukrainer auf Kommandoposten, logistische Knotenpunkte und Truppenkonzentrationen, hieß es weiter. Kiew übe zudem seit mehr als einem Monat Druck auf die von Russland besetzten Gebiete in der Region Kherson aus und habe zu verstehen gegeben, dass weitere Offensiv-Maßnahmen geplant seien.

Angesichts des Personalmangels, unter dem die russischen Truppen zu leiden hätten, zeige eine Truppenverstärkung im Süden bei gleichzeitigem Kampf um den Donbass im Osten, wie ernst die Russen die Gefahr durch eine Gegenoffensive nähmen, so das Fazit der britischen Experten.

Raketen vom Kaspischen Meer aus abgeschossen

Russland hat die Ukraine Angaben aus Kiew zufolge von der Region des Kaspischen Meeres aus mit Raketen beschossen. Vier von insgesamt sechs Raketen seien am Samstag über den Gebieten Dnipro im Osten und Saporischschja im Süden abgefangen worden, teilten die ukrainischen Luftstreitkräfte mit. Zwei weitere seien auf landwirtschaftlich genutztem Gebiet in der zentralukrainischen Region Tscherkassy eingeschlagen. Der Schaden werde noch untersucht.

An das Kaspischen Meer grenzen neben Russland unter anderem auch die Südkaukasus-Republik Aserbaidschan und das zentralasiatische Kasachstan. Nach ukrainischer Darstellung sollen bei dem Beschuss Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-95 zum Einsatz gekommen sein. Aus Moskau gab es zunächst keine Bestätigung.

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Selenskij: Holen besetzte Gebiete zurück

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hat die Absicht bekräftigt, von Russland besetzte Gebiete seines Landes zurückzuerobern. "Es ist uns bereits gelungen, einen Teil des nach dem 24. Februar besetzten Territoriums zu befreien", sagte Selenskij in der Nacht auf Sonntag in seiner täglichen Videoansprache. "Nach und nach werden wir auch andere Regionen unseres Landes befreien, die zurzeit besetzt sind."

Knapp fünf Monate nach Kriegsbeginn hatte die Ukraine zuletzt Gegenoffensiven im Süden gestartet und etwa vor einigen Tagen in der Region Cherson ein russisches Munitionslager beschossen. Bei der Rückeroberung besetzter Gebiete sollen auch aus dem Westen gelieferte Waffen zum Einsatz kommen.

Falschnachrichten

Selenskij warf Russland darüber hinaus vor, im Krieg gegen sein Land gezielt Falschnachrichten als Waffe einzusetzen. Die Ukrainer bräuchten "eine Art emotionaler Souveränität", um dieses "Informationsspiel" nicht mitzuspielen, sagte er.

Unwahrheiten etwa über angeblich vorbereitete Raketenangriffe verfolgten nur einen Zweck: "den Raketen- und Artillerie-Terror gegen unseren Staat durch Informationsterror zu ergänzen".

Angriffe werden ausgeweitet

Russland hatte zuvor allerdings angekündigte, knapp fünf Monate nach Kriegsbeginn die Angriffe auf das Nachbarland wieder ausweiten zu wollen. Nachdem bereits am Freitag zwischenzeitlich in der gesamten Ukraine Luftalarm ausgelöst worden war, heulten die Sirenen auch am Samstag wieder in fast allen Landesteilen.

Moskau bestätigte auch einen russischen Raketenangriff auf die ukrainische Millionenstadt Dnipro in der Nacht auf Samstag, bei dem laut der ukrainischen Behörden drei Menschen getötet und 15 verletzt wurden. Der Generalstab in Kiew teilte am Samstag mit, die Ukraine habe in den vergangenen 24 Stunden russische Sturmversuche in Richtung Bachmut und vor Donezk abgewehrt. "Nach einer Umgruppierung hat der Feind den Angriff auf das Wärmekraftwerk Wuhlehirsk wieder aufgenommen, die Kampfhandlungen halten an", heißt es zudem.

Mehr als 100 Waggons Getreide abgeschickt

Die prorussische Verwaltung einer Region im Südosten der Ukraine führt nach eigenen Angaben in großem Umfang Getreide aus. „Mehr als 100 Waggons wurden bereits abgeschickt, ein weiterer Vertrag über 150.000 Tonnen wurde mit einem Getreidehändler abgeschlossen“, teilte der Chef der russischen Militärverwaltung von Saporischschja, Jewgeni Balizki, mit. Die Ukraine wirft Russland bereits seit Monaten Getreidediebstahl vor.

Balizki machte keine Angaben dazu, wohin das Getreide gebracht werden soll. Per Bahn kann es aber nur nach Russland oder auf die von Russland seit 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim transportiert werden. Russland hat nach Beginn des Einmarsches in die Ukraine schnell den südlichen Teil der Region Saporischschja mit dem dort befindlichen Hafen Berdjansk am Asowschen Meer erobert.

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