Briten: Viele russische Angriffe, wenig Geländegewinn
Russische Truppen greifen nach britischer Einschätzung an mehreren Stellen in der Ukraine an, kommen aber weiterhin nicht recht voran.
"Das aktuelle operative Bild legt nahe, dass den russischen Kräften in den meisten Frontabschnitten der Vormarsch befohlen wird", teilte das Verteidigungsministerium in London am Dienstag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Allerdings könnten sie an keiner Stelle genügend Kampfkraft bündeln, "um entscheidende Wirkung zu erzielen".
Die Russen wollten vermutlich einige Geländegewinne der Ukrainer aus dem Herbst rückgängig machen. "Es besteht eine realistische Möglichkeit, dass ihr unmittelbares Ziel darin besteht, nach Westen zum Fluss Scherebez vorzudringen."
Bachmut
Die Söldnergruppe Wagner habe zuletzt weitere Geländegewinne im Norden der heftig umkämpften Stadt Bachmut im ostukrainischen Gebiet Donezk erzielt, hieß es. Die Einheiten seien vermutlich in das Dorf Krasna Hora eingedrungen. Im Süden der Stadt hingegen hätten russische Kräfte wenig Fortschritt gemacht. Die ukrainischen Truppen leisteten Widerstand, hieß es.
Auch im Bereich der Städte Kreminna und Swatowe im Gebiet Luhansk würden russische Einheiten angreifen, die örtlichen Attacken seien aber zu gering, um einen wichtigen Durchbruch zu erzielen, so das britische Ministerium.
5.000 Zivilisten in Bachmut
Dem ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskij zufolge versuchen die russischen Truppen, Bachmut einzukesseln. Bachmut ist ein strategisch wichtiges Ziel des russischen Präsidenten Wladimir Putin, um anlässlich des bevorstehenden Jahrestags des Kriegsbeginns am 24. Februar einen symbolträchtigen Sieg verkünden zu können.
In der umkämpften ostukrainischen Stadt halten sich laut Behördenangaben noch knapp 5.000 Zivilisten auf. "Die Zahl der Leute, die sich in Bachmut befinden, muss auf ein Minimum reduziert werden", sagte der Militärgouverneur des Gebietes Donezk, Pawlo Kyrylenko, in der Nacht zum Dienstag im ukrainischen Fernsehen.
Der 36-Jährige bestätigte dabei, dass nur noch in der Stadt gemeldete Zivilisten nach Bachmut gelassen würden. Kyrylenko sagte, dass die Versorgung der verbliebenen Menschen trotzdem gesichert sei.
Russische Kampfjets über Polen abgefangen
Eine Formation von drei russischen Militärflugzeugen ist nach Angaben des niederländischen Verteidigungsministeriums von zwei niederländischen F-35-Kampfflugzeugen über Polen abgefangen und aus dem Gebiet eskortiert worden. "Die zu dem Zeitpunkt unbekannten Flugzeuge näherten sich dem polnischen NATO-Gebiet von Kaliningrad aus", heißt es in der von Reuters übersetzten Erklärung des Ministeriums.
"Nach der Identifizierung stellte sich heraus, dass es sich um drei Flugzeuge handelte: eine russische IL-20M Coot-A, die von zwei Su-27 Flankern begleitet wurde. Die niederländischen F-35 übergaben den Geleitschutz an die NATO-Partner." Das russische Verteidigungsministerium reagiert nicht sofort auf eine Anfrage von Reuters zur Stellungnahme. Kaliningrad ist eine russische Enklave an der Ostseeküste, die zwischen den NATO- und EU-Mitgliedern Polen und Litauen liegt.
Selenskij hofft auf weitere Waffen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hofft auf eine Entscheidung für weitere Waffenlieferungen an sein Land beim Treffen der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe am Dienstag in Brüssel. Die Verteidigungsminister der 30 NATO-Staaten kommen zusammen.
"Wir arbeiten daran, dass sich alle unsere Verhandlungen in den Rüstungsbeschlüssen unserer Partner spiegeln", sagte Selenskij am Montagabend in einer Videoansprache. "Neue bilaterale Gespräche und Treffen sind geplant".
Die Ukraine drängt nach den Zusagen für Kampfpanzer aus dem Westen aktuell insbesondere auf die Lieferung von Kampfjets.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Bündnisstaaten eindringlich zu mehr Tempo bei der Lieferung von Waffen und Munition an die Ukraine aufgerufen.
"Es ist klar, dass wir in einem Logistikrennen sind", sagte er am Montag in Brüssel kurz vor einem Verteidigungsministertreffen an diesem Dienstag. Weitere Munition, Treibstoff und Ersatzteile müssten die Ukraine erreichen, bevor Russland wieder die Initiative auf dem Schlachtfeld ergreifen könne.
Energie trotz russischer Angriffe
Am Dienstag soll es in der Ukraine den dritten Tag in Folge keine regionalen Stromverbrauchslimits geben. Dem staatlichen Netzbetreiber Ukrenerho zufolge sei dies darauf zurückzuführen, dass alle unter ukrainischer Kontrolle stehenden neun Atomkraftwerksblöcke liefen. Zusätzlich seien ungenutzte Blöcke von Wärmekraftwerken in Betrieb, und aufgrund gut gefüllter Flüsse würden auch die Wasserkraftwerke mehr Strom als gewöhnlich liefern.
Nach Angaben des Chefs des Kiewer Stromanbieters Yasno, Serhij Kowalenko, sind vereinzelte Stromabschaltungen in der Hauptstadt auf Netzengpässe zurückzuführen.
Das russische Militär hat seit Oktober mit gezielten Angriffen vor allem auf Umspannwerke versucht, die Stromversorgung zumindest von Eisenbahn und Industrie zu schädigen. Dabei sind ukrainischen Angaben zufolge Hunderte Raketen und Drohnen eingesetzt worden.
Kommentare