Wahrscheinlicher ist freilich: Trump wollte Putin nicht mit seinen Zöllen verärgern, versucht er ihn doch an den Verhandlungstisch über einen Waffenstillstand in der Ukraine zu bringen.
Die Freude über die Zoll-Ausnahme währte in Moskau jedenfalls nur kurz. Denn Trumps Auftakt zu einem Handelskrieg mit dem Rest der Welt schickte nicht nur die Börsen und Rohstoffmärkte auf Talfahrt, sondern in Sorge um die Weltkonjunktur auch die Ölpreise. Und während sich manche Aktienkurse zwischenzeitlich wieder leicht erholen, blieb der Ölpreis dort wo er durch die Sorge um eine globale Rezession gelandet war: im Keller.
Militärische Sonderoperation
Russlands Budget ist zu einem guten Drittel von den Einnahmen aus dem Verkauf von Öl- und Gas abhängig und so keimte da und dort die Hoffnung auf, Putin könnte jetzt das nötige Kleingeld fehlen für seine militärische Sonderoperation in der Ukraine. „Je weniger Geld Russland für Öl bekommt, desto weniger Geld ist für den Krieg da“, schrieb etwa Andrij Jermak, Leiter des Präsidialamtes der Ukraine.
Ausschlaggebend für den russischen Staatshaushalt sind jedoch nicht die täglichen oder wöchentlichen Schwankungen des Preises für russisches Öl, das vor allem nach China und Indien verkauft wird, sondern die mittel- bis längerfristige Entwicklung. Und so kommt es, dass Teile der eingebrochenen Steuereinnahmen aus dem Energiegeschäft durch eine höhere Gewinn- und vor allem erhöhte Mehrwertsteuer kompensiert werden.
Milliarden im Wohlfahrtsfonds
Und auch die Rücklagen im sogenannten Wohlfahrtsfonds reichen aus, um heuer ein deutlich höheres Budgetdefizit abzudecken, schildert die frühere Beraterin der russischen Zentralbank, Alexandra Prokopenko, in der Zeit. „Für dieses Jahr ist das Budget in jedem Fall nicht gefährdet“, sagt die mittlerweile in Berlin lebende Expertin.
Doch das kann sich mittelfristig natürlich ändern, wenn die Situation so bleiben sollte, wie sie sich momentan darstellt. Nicht nur der niedrige Preis für russisches Ural-Öl von derzeit um die 55 Dollar sei hier ausschlaggebend, sondern – nicht minder wichtig – der starke Rubel, erklärt Vasily Astrov, vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw).
25 Prozent Aufwertung
Durch die geopolitischen Entwicklungen und Trumps Versuch, sich mit Putin in der Ukraine-Frage zu arrangieren, hätte die russische Landeswährung seit Jahresbeginn um rund 25 Prozent gegenüber dem Dollar aufgewertet. Diese „toxische Mischung“ aus niedrigem Ölpreis und zu starkem Rubel schmälere die Steuereinnahmen Moskau durchaus erheblich, habe aber derzeit „noch kaum Auswirkungen auf Putins Möglichkeit Krieg zu führen“.
Denn, Astrov weiter: „Ein niedriger Ölpreis ist für Moskau immer gefährlich und eine schlechte Nachricht. Doch der Krieg und das Militär haben absolute Priorität. Bevor hier gekürzt wird, gibt es viele andere Möglichkeiten im Budget umzuschichten oder einzusparen, etwa bei den Infrastruktur-Ausgaben.“
Stichwort Umschichten: Hier kommt besagter Wohlfahrtsfonds ins Spiel. Das ist ein staatlicher Topf, in den Überschüsse aus dem Ölgeschäft fließen und dem in schlechten Zeiten Geld entnommen werden kann. Wie heuer, da die Moskauer Budgetplanung viel zu optimistisch von einem Ölpreis von 70 Dollar ausgegangen war.
Der Ölpreis bleibt aber vorerst nicht nur wegen Trumps Zollkrieg im Keller, auch die gleichzeitige Förderausweitung der Opec+-Länder drückt den Preis – so muss der Fonds also angezapft werden.
Laut russischem Finanzministeriums dürften heuer Steuereinnahmen von rund 30 Milliarden Euro wegbrechen. Nach verschiedenen Quellen dürften freilich noch rund 48 Milliarden Euro in dem staatlichen Ausgleichstopf zur Verfügung stehen. Das geht sich also aus.
Beobachter sind sich einig, dass der Wohlfahrtsfonds aber spätestens 2026 leer sein dürfte. Dann müsste ein höheres Budgetdefizit über die Aufnahme neuer Schulden finanziert werden, wie das hierzulande jährlich gelebte Praxis ist. Spielraum ist genug vorhanden, denn die russische Staatsverschuldung liegt bei komfortablen 18 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Davon können Länder Österreich, wo die Verschuldung jenseits der 80 Prozent liegt, nur träumen.
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