Luftangriffe auf Ukraine: Jedes dritte Kraftwerk zerstört

Luftangriffe auf Ukraine: Jedes dritte Kraftwerk zerstört
Die Ukraine sucht nach einer Antwort auf Russlands neue Taktik gehäufter Luftangriffe.

Russland hat am Dienstag seine Luftangriffe auf ukrainische Städte fortgesetzt und erneut auf kritische Infrastruktur wie die Strom- und Wasserversorgung gezielt. 

Entsprechend gibt es schwere Schäden an der Energie-Infrastruktur. „Seit dem 10. Oktober sind 30 Prozent der ukrainischen Kraftwerke zerstört worden, was zu massiven Stromausfällen im ganzen Land führt“, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij am Dienstag auf Twitter.

Zugleich lehnte er jede Form von Verhandlungen mit Moskau ab. „Es gibt keinen Raum mehr für Verhandlungen mit dem Regime von (Russlands Präsident Wladimir) Putin.“

Seit vergangener Woche überzieht Russland das Nachbarland mit großflächigen Raketen- und Drohnenangriffen, auch am Dienstag wieder. Dutzende Zivilisten starben. In der gesamten Ukraine wurde Luftalarm ausgelöst. Die Behörden in zahlreichen Regionen - darunter Charkiw, Dnipropetrowsk und Mykolajiw - meldeten am Dienstag, dass die Luftverteidigung aktiv sei.

Vielerorts schlugen dennoch Raketen ein. Auch in der Hauptstadt Kiew berichtete Bürgermeister Vitali Klitschko von neuen Explosionen.

In Mykolajiw sei bei nächtlichem Raketenbeschuss ein Wohnhaus getroffen worden, Einsatzkräfte hätten die Leiche eines Mannes sei aus den Trümmern geborgen, teilte Gouverneur Witalij Kim mit.

"Die Ukraine ist unter Beschuss der Okkupanten. Sie machen weiter das, was sie am besten können: Zivilisten terrorisieren und töten", sagte Selenskij. Die Russen hätten in Mykolajiw auch den Blumenmarkt und den Kastanienpark beschossen - "absolut friedliche Orte".

Auch in der Stadt Charkiw berichtete Bürgermeister Ihor Terechow von Raketenbeschuss. "In der Stadt gab es innerhalb von fünf Minuten zwei Explosionsserien", sagte er.

Getroffen wurde nach ersten Erkenntnissen ein Industriebetrieb. Die U-Bahn stellte den Zugverkehr ein und nahm erneut den Betrieb als Schutzbunker auf.
 

 

"Weder Licht noch Wasser"

Im Gebiet Dnipropetrowsk wurden in Kriwyj Rij und in der Gebietshauptstadt Dnipro Explosionen gemeldet. In der nordukrainischen Stadt Schytomyr fiel nach russischen Luftangriffen die Stromversorgung aus. "Es gibt zurzeit weder Licht noch Wasser in der Stadt", schreibt Bürgermeister Serhij Suchomlyn auf Facebook. Die Krankenhäuser hätten auf Notstromversorgung umgestellt. In Schytomyr lebten vor Beginn der russischen Invasion am 24. Februar rund 260.000 Menschen.

Auch Kreml-nahe russische Militärblogger berichteten vom Beschuss zahlreicher Regionen - und veröffentlichten in sozialen Netzwerken eine Vielzahl von Fotos und Videos mit Rauchwolken über Städten, die die neuen Angriffe dokumentieren sollen. Die Echtheit dieser auch in ukrainischen Kanälen verbreiteten Aufnahmen war zunächst nicht überprüfbar.
 

Mehr Flugabwehr

Die Ukraine sucht nach einer Antwort auf Russlands neue Taktik gehäufter Luftangriffe mit Kampfdrohnen iranischer Bauart. Präsident Selenskij bat die Staatengemeinschaft um mehr und bessere Waffen zur Flugabwehr. „Wenn wir über Luftabwehr reden, dann reden wir über reale Menschenleben“, sagte er in seiner Videoansprache. „Das ist nicht nur im Interesse der Ukraine. Je geringer die terroristischen Möglichkeiten Russlands sind, desto schneller endet dieser Krieg.“

Seit der vergangenen Woche habe es mehr als 100 Angriffe mit solchen Drohnen gegeben, teilte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba mit. „Wir rufen Teheran auf, sofort jede Waffenlieferung an Russland einzustellen“, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums. „Sonst werden der Iran und seine Führung streng zur Verantwortung gezogen werden.“ Er rief die Europäische Union zu Sanktionen gegen den Iran auf. Die Führung in Teheran bestreitet, Russland mit Einwegdrohnen beliefert zu haben.

Mehr als 200 Gefangene ausgetauscht

In dem fast sieben Monate dauernden Angriffskrieg tauschten die beiden Seiten am Montag ein weiteres Mal viele Gefangene aus. 108 gefangene ukrainische Soldatinnen und Zivilistinnen kehrten in ihre Heimat zurück, wie das Präsidialamt der Ukraine in Kiew mitteilte.

„Die Ukraine lässt niemanden in Stich“, schrieb Stabschef Andrij Jermak. Auf russischer Seite bestätigte das Verteidigungsministerium die Heimkehr von 110 Gefangenen. Dazu zählten 72 russische Seeleute von zivilen Schiffen, die seit Beginn des Krieges im Februar in der Ukraine festgehalten worden seien.

Russisches Flugzeug stürzt auf russische Stadt

Die russischen Behörden reagierten schnell und mit großem Aufwand auf den spektakulären Absturz des Kampfbombers in Jejsk. Präsident Putin wurde informiert. Katastrophenschutzminister Alexander Kurenkow und Gesundheitsminister Michail Muraschko flogen aus Moskau ein. Videos aus Jejsk zeigten einen großen Feuerball dicht an einem achtstöckigen Hochhaus, als das Flugzeug abstürzte. Dann folgten mehrere Detonationen. Ein Teil des Gebäudes fing bis zum Dach hinauf Feuer. Der regionale Zivilschutz berichtete am Montagabend von 6 Toten und 22 Verletzten. Bei sechs Menschen war der Verbleib unklar.

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, beim Start der Maschine von einem nahen Fliegerhorst habe eines von zwei Triebwerken Feuer gefangen. Die zwei Mann Besatzung hätten sich mit Fallschirmen gerettet. Die Maschine sei auf einem Übungsflug gewesen. Solche Flüge finden den Regeln nach ohne Munition statt. Allerdings deutete die Boulevardzeitung „Komsomolskaja Prawda“ die Explosionen so, dass die Maschine bewaffnet gewesen sei. Die Hafenstadt Jejsk liegt so dicht an der Ukraine, dass von dort Luftangriffe gestartet werden können.

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