Helferin in Ukraine-Flutgebieten: "Evakuieren unter Artilleriefeuer"

Zwei Tage nach der Katastrophe am Staudamm von Kachovka läuft im Südosten der Ukraine die Evakuierung der Bevölkerung aus den Flutgebieten mit allen verfügbaren Mitteln - und unter teils schwierigsten Umständen, wie der KURIER von einer Helferin von CARE vor Ort erfuhr.
Einschläge ständig zu hören
Rund 2.000 Menschen habe man in den vergangenen Stunden aus den Flutgebieten evakuiert, erzählt CARE-Helferin Selena Kozakijevic dem KURIER am Telefon. Sie kommt gerade aus der Stadt Cherson, ein Brennpunkt der Flutkatastrophe. Obwohl sich hier der Wasserstand zumindest vorübergehend stabilisiert habe, stünden viele Stadtviertel weiter meterhoch unter Wasser. Dazu kommt, dass viele der Flutgebiete ganz nah an der Frontlinie liegen. "Während der Evakuierungen in den Schlauchbooten hört man ständig das Artilleriefeuer und die Einschläge, die oft sehr nahe sind", berichtet sie von den Einsätzen.
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Schwierigste Umstände
Für die Menschen in Cherson und den anderen Flutgebieten macht die aktuelle Katastrophe die ohnehin schwierige Lage noch komplizierter. "Dass die Menschen jetzt in ihren überfluteten Häusern sitzen, kommt ja als Krise nur noch dazu", schildert die Helferin die Lage: "Die Versorgung war in diesen so lange umkämpften Gebieten ja schon vorher kompliziert und die Menschen wohnten oft schon dicht gedrängt, weil ihre eigenen Häuser zerstört, oder vermint waren."
Viele wollen bleiben
Nicht alle Menschen wollen sich von den Helfern in ihren Schlauchbooten mitnehmen lassen. Gerade ältere Menschen und solche mit körperlichen Behinderungen hätten oft Angst, ihre Häuser zu verlassen.
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Problem Trinkwasser
Vor Ort müssten sie dann vor allem mit Trinkwasser versorgt werden. Denn die riesigen Fluten, die aus dem Stausee über die Dörfer geschwappt sind, haben auch die Brunnen überflutet, mit schmutzigem, oft ölverseuchtem Wasser. Wie es in den nächsten Tagen weitergehe, sei weitgehend unklar, meint Selena.
Wasser steigt weiter
Denn in Städten wie Mykolaiw, oder Dnipro würde das Wasser weiter steigen, während es anderswo bereits sinke. Bis zu 40.000 Menschen könnten zuletzt, ohne Unterkunft dastehen und müssten evakuiert werden, so die jüngsten Schätzungen. Vorerst aber laufe die Versorgung mit Nahrung und Wasser und auch die Evakuierungen nach Plan. Zeltstädte, oder ähnliches seien vorerst nicht notwendig. Dank der großen Hilfsbereitschaft der Menschen würden die meisten Flutopfer rasch irgendwo bei Familie, Freunden und Bekannten unterkommen.
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