Der ebenfalls 63-Jährige regierte das Land seit Ende Juli im Alleingang, nachdem er die Regierung mithilfe eines Notstandsartikels der Verfassung entlassen und das Parlament suspendiert hatte.
Den Schritt, den die entmachtete, moderat-islamistische Partei Ennahdha als „Putsch“ bezeichnete und der international kritisiert wurde, begründete Saied mit der Abwehr „unmittelbarer Gefahr“. Unterstützung hatte er durch das Militär und Teile der Bevölkerung, die Ennahdha Untätigkeit vorgeworfen hatten und die Korruption leid waren.
In den letzten Wochen nahm der Druck auf Saied, eine Regierung einzusetzen, aber zu – sowohl auf der Straße als auch auf dem politischen Parkett. Nicht zuletzt, weil die Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds über dringend benötigte Finanzhilfen seit seiner Machtübernahme ausgesetzt sind.
Also brachte Saied Bouden in Spiel. Die Suspendierung des Parlaments hat er verlängert; seit einer Ausweitung seiner Vollmachten hat er das letzte Wort bei Kabinettsentscheiden.
Politische Beobachter befürchten, dass Bouden kaum mehr als eine Marionette sein wird. Viele Tunesier denken ähnlich. Sie begrüße zwar – wie mehrere Frauenorganisationen auch – Boudens Amtsantritt, sagte eine Studentin zur Nachrichtenagentur AFP. Das bedeute aber keine bedingungslose Unterstützung: „Wir werden schauen, was sie macht.“
Keine Berufspolitikerin
Erst mal beobachten will laut AFP auch die Soziologin Hela Yousfi, die in Paris lehrt. Sie sieht Boudens Ernennung nicht so skeptisch wie andere. Dass sich Saied für eine politisch komplett unerfahrene Akademikerin entschieden habe, liege daran, dass er selbst vor dem Einstieg in die Politik an der Uni lehrte und die Präsidentenwahl 2019 nur gewonnen habe, weil er kein Berufspolitiker war. „Wenn mich meine Erfahrung mit Tunesiens Politik eines gelehrt hat“, so Yousfi, „ist es abzuwarten.“
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