Tschechien: Der Präsident ist am Zug

Nach Regierungsrücktritt in Prag: Der tschechische "Pate" ist im Visier der Ermittlungen.

Premierposten, Parteivorsitz und politische Karriere: Montag Nachmittag war Petr Necas endgültig alles los. Tschechiens nunmehriger Ex-Premier erschien bei Präsident Zeman auf der Prager Burg, um sein Amt offiziell niederzulegen, damit tritt auch die gesamte Regierung ab. Schon zuvor hatte Necas bekannt gegeben, dass er auch seine politische Karriere beenden werde. Er legte damit auch den Parteivorsitz der ODS zurück. Er sei ein „Kämpfer“ und habe viel überstanden, „aber ich bin mir genau bewusst, wann der Zeitpunkt gekommen ist, an dem man nicht mehr weitermachen kann.“

Das jähe Ende des erst vor drei Jahren als Saubermann und Antikorruptions-Kämpfer angetretenen Konservativen hinterlässt Tschechien im politischen Chaos und alle politischen Trümpfe in der Hand eines Mannes: Präsident Milos Zeman. Mit dem Wahlspruch „eine neue Regierung muss her“ hatte er im Jänner die Stichwahl gegen Karel Schwarzenberg für sich entschieden. Jetzt kann er die entscheidenden Weichen für diese neue Regierung stellen.

Expertenkabinett

Drei Möglichkeiten, so das Kalkül der tschechischen Medien, stünden jetzt offen: Eine Neuauflage der Koalition der bisher regierenden Parteien unter einem neuen Premier, eine Expertenregierung oder sofortige Neuwahlen. Zeman, der eine Expertenregierung bevorzugen soll, lässt sich vorerst aber nicht in die Karten schauen. Schließlich muss jede neue Regierung vom Parlament abgesegnet werden – und dort sind die Verhältnisse völlig unklar. Weder die Linke noch die Konservativen haben derzeit eine Mehrheit.

Auslöser der Staatskrise war die Großrazzia der Polizei in der Vorwoche. Dabei war auch Necas’ Kabinettschefin Jana Nagyova verhaftet worden. Dass sie mit dem Premier seit Jahren ein Verhältnis hat, ist in Prag ein offenes Geheimnis. Wie die Führung des militärischen Geheimdienstes inzwischen bestätigt, hat Nagyova den Auftrag zur Bespitzelung von Radka Necasova, der Noch-Ehefrau des Premiers erteilt. Eine Scheidung soll unmittelbar bevorstehen.

Geld aus der Handtasche

Doch der Rosenkrieg des Premiers ist nur ein Nebenschauplatz der ganzen Affäre. In deren Zentrum steht – vorerst noch undurchschaubar – eine riesige Korruptionsaffäre. Erste Details der Ermittlungen, die nun allmählich durchsickern, weisen in Richtung eines der einflussreichsten Unternehmer und Lobbyisten des Landes: Roman Janousek. Der Medien- und Immobilieninvestor (siehe auch unten) hat engste Verbindungen zur Prager Politik, vor allem aber zur ODS. In tschechischen Medien wird er als der „Prager Pate“ bezeichnet. Affären rund um Janousek haben die tschechische Politik bereits mehrfach schwer aus dem Gleichgewicht gebracht. Eine davon führte schließlich zum Abgang des mächtigen Prager Bürgermeisters Pavel Bem.

Bei der Razzia in der Vorwoche wurden größere Geldmengen, aber auch Goldbarren beschlagnahmt. Ein Teil davon, das hat Janouseks Anwalt inzwischen bestätigt, stammt von dem Lobbyisten. Eine größere Summe sollen die Sicherheitskräfte sogar direkt aus der Handtasche der Ehefrau entnommen und beschlagnahmt haben. Janousek lässt sich von der Affäre vorerst nicht beeindrucken. Er ist in seiner Villa in Kroatien und ließ mitteilen, er werde nur heimkehren, wenn es dringend notwendig sei.

Die alles verbindende Schlüsselfigur ist nach Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft die langjährige Kabinettschefin Jana Nagyova (mehr zur Person im Folgeabschnitt). Mit dem scheidenden Regierungschef Petr Necas arbeitete sie in verschiedenen Funktionen seit 2006 zusammen. Beiden wird ein privates Verhältnis nachgesagt.

Vorwürfe

  • Die Staatsanwaltschaft wirft Nagyova vor, den Militärgeheimdienst zur Bespitzelung von Necas' getrennt lebender Frau missbraucht zu haben. Der Chef des Militärgeheimdienstes gestand inzwischen die Überwachung ein, wie Staatsanwalt Ivo Istvan mitteilte.
  • In einem weiteren Strang geht es um die mutmaßliche Bestechung von Abgeordneten. Nagyova soll drei Abgeordneten lukrative Posten versprochen haben. Diese legten daraufhin ihr Mandat nieder, statt sich in einer Abstimmung über Steuern gegen die eigene Regierung zu stellen.
  • Noch weitgehend unklar ist, wie der Fund von umgerechnet rund fünf Millionen Euro bei angeblichen politischen Lobbyisten mit diesen Fällen zusammenhängt. "Wir ermitteln gegen eine Bande der organisierten Kriminalität, die auf Basis von Klientelbeziehungen funktioniert hat", sagte dazu nur Chefermittler Robert Slachta

Und wieder ist ein hochrangiger Politiker offenbar über eine Frauenaffäre gestolpert: Dem tschechischem Regierungschef Petr Necas wurde sein allzu enges Verhältnis zu seiner Büroleiterin Jana Nagyova zum Verhängnis. Die 48-Jährige langjährige Mitarbeiterin hatte es mit ihrer Zuneigung zum konservativen Regierungschef nämlich etwas übertrieben und seine Ehefrau Radka Necasova vom Militärgeheimdienst bespitzeln lassen.

Diese Aktion war völlig ungesetzlich und geschah angeblich ohne das Wissen des Regierungschefs. Ziemlich hilflos wirkte auch die Begründung, die Nagyovas Anwalt Eduard Bruna für die Abhöraktivitäten lieferte. Nagyova habe Frau Necasova bespitzeln lassen, "um sie vor den Zeugen Jehovas zu beschützen", die um die Ehefrau des Regierungschefs kreisten. "Sie (Nagyova) wollte damit einen guten Dienst leisten".

Strippenzieherin

Die Abhöraffäre war aber nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. In der tschechischen Öffentlichkeit wurde der starke Einfluss, den Nagyova auf den Regierungschef ausübte, schon seit Jahren kritisch beobachtet. Sie galt als seine "rechte Hand", aber auch als eine Frau, die Kontakte zu den sogenannten "Paten" aus der Wirtschaft hatte.

Nagyova begann ihre Arbeitskarriere als Lohnbuchhalterin in einem Maschinenbaubetrieb, bevor sie Leiterin der Verkaufsabteilung einer Porzellanfabrik wurde. 1996 wurde sie zur Regionalchefin der konservativen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) im westböhmischen Karlovy Vary (Karlsbad) und Assistentin des Bürgermeisters in dieser Stadt. Daraufhin arbeitete sie kurze Zeit in der ODS-Zentrale in Prag. 2006 machte sie der damalige Arbeitsminister Petr Necas zu seiner Büroleiterin. Als Necas 2010 Premier wurde, nahm er Nagyova in sein Kabinett mit.

Nagyova geriet erstmals in Schlagzeilen, als dem damaligen Arbeitsminister Necas vorgeworfen wurde, unangemessen hohe Prämien an Nagyova ausgezahlt zu haben. "Meine Leute schuften wie Pferde, zwölf Stunden pro Tag sind Standard", reagierte Necas damals mit Empörung. Es handle sich um "mediale Lynchjustiz gegen einen anständigen und fleißigen Menschen", verteidigte er Nagyova. Damit begannen auch Gerüchte zu kursieren, dass das Verhältnis zwischen den beiden nicht nur beruflicher Natur ist.

Plagiatsvorwürfe

Nagyova geriet dann auch wegen ihrer Ausbildung unter Beschuss. Laut Medienberichten soll sie ihre Diplomarbeit an der privaten Prager pädagogischen Universität (UJAK) zu Teilen abgeschrieben haben, und zwar aus Analysen des Arbeitsministeriums, das sie als Kabinettschefin unter Necas leitete. Nagyova habe die Analysen zitiert, ohne die Quelle anzugeben, hieß es in tschechischen Medienberichten.

Die Wochenzeitschrift "Reflex" stellte fest, dass sich zwei Zitate der 78-seitigen Diplomarbeit über jeweils vier Seiten erstreckten. In die Seiten 39 bis 41 soll wiederum ein Text von der Internetseite des Arbeitsministeriums hineinkopiert worden sein. Nagyova wollte die Vorwürfe nicht kommentieren. "Wenn Sie Fragen haben, richten Sie sie bitte an den Chef des Lehrstuhls", reagierte sie damals knapp per SMS.

Zur Person:
Die heute 48-jährige Nagyova ist seit Mitte der 1990er Jahre geschieden und hat zwei Töchter aus dieser Ehe. Ihr Verhältnis zu Necas wurde nach und nach zum öffentlichen Geheimnis in Prag. Angeblich soll sie ihn zur Scheidung gezwungen haben. Necas kündigte Anfang 2013 die Trennung und vor einigen Tagen auch die Scheidung von seiner Ehefrau Radka Necasova an, mit der er vier Kinder hat.

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