Trumps letzter Wutanfall vor dem Showdown
Tiefe Einblicke in seine Gefühlswelt kurz vor dem historischen Impeachment-Votum hat Donald Trump selbst gewährt - mit einem öffentlichen Wutbrief an Oppositionsführerin Nancy Pelosi. Auf sechs Seiten voller wüster Beschimpfungen ließ der US-Präsident seinem Ärger freien Lauf: Er wirft den Demokraten einen „Kreuzzug“ vor und spricht von einem „offenen Krieg“ gegen die Demokratie.
Und er vergleicht sich - den mächtigsten Politiker der Welt - mit einem Opfer von Hexenprozessen. Trump ist sichtlich erbost über die Schmach des Amtsenthebungsverfahrens, das die Demokraten an diesem Mittwoch mit der Abstimmung im Repräsentantenhaus über eine Anklageerhebung - das sogenannte Impeachment - in Gang setzen wollten. Er ist erst der dritte Präsident der US-Geschichte, der ein solches Verfahren über sich wird ergehen lassen muss.
Impeachment könnte Trump nützen
Da alles sei nichts als ein "illegaler, radikaler Putschversuch", und der, wütet der Präsident, "werde an der Wahlurne 2020 bestraft werden". Tatsächlich hat die bisherige Impeachment-Untersuchung dem Republikaner bisher nicht geschadet und sie könnte ihm bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr nützen.
Denn trotz der Schwere der Vorwürfe in der Ukraine-Affäre halten Trumps Republikaner und auch seine Stammwähler fest zu ihrem Präsidenten. Trumps Beliebtheitswerte sind zwar alles andere als rosig, haben sich seit Beginn der Affäre aber auch nicht nennenswert verändert. Zuletzt waren laut Umfragen sogar wieder mehr Wähler gegen ein Impeachment als dafür.
Trump scheint sich alles erlauben zu können - alles perlt an ihm ab wie an Teflon. Das war bei Vorwürfen sexueller Übergriffe gegen Frauen schon so und bei den Ermittlungen zu den mutmaßlichen russischen Einmischungen zugunsten Trumps in die Wahl 2016 auch.
Hexenjagd
Der New Yorker Immobilienmogul hatte es vor drei Jahren selbst prophezeit: „Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren.“
Trump hat in der Ukraine-Affäre auf Kampfmodus geschaltet - und der hat ihm schon immer besonders gelegen. Während der damalige Präsident
Bill Clinton sich bei seinem Amtsenthebungsverfahren Ende der 90er-Jahre möglichst bedeckt hielt, stürzte sich Wrestling-Fan Trump ins Getümmel.
Mit den immer gleichen Schlagwörtern - „Schwindel“, „Hexenjagd“, „Schande“ - verunglimpft er die Impeachment-Untersuchung des Repräsentantenhauses. Politische Gegner traktiert er wahlweise als „krank“, „korrupt“ oder „verrückt“. Eine Flut von Twitter-Botschaften hat der Präsident in den vergangenen Tagen losgelassen, an einigen Tagen waren es mehr als hundert Tweets
Perfekter Moment für Trump
Das zeugt von seiner Wut. Zugleich schafft es Trump damit, Herr eines eigentlich gegen ihn gerichteten Verfahrens zu werden. „Das ist der perfekte Moment für jemanden wie ihn“, sagt der Kommunikationsprofessor Rich Hanley über Trump. Der Präsident habe einen „Erzählbogen für diese besondere Folge der Trump-Show“.
Wie es in dieser Show weitergeht, steht eigentlich auch schon fest: Daran, dass das Repräsentantenhaus an diesem Mittwoch die Amtsenthebungsklage beschließen würde, bestand angesichts der klaren Mehrheit der Demokraten in der Kongresskammer kein Zweifel. Der republikanisch dominierte Senat wird den Präsidenten jedoch im Prozess Anfang kommenden Jahres freisprechen. Und Trump wird einen neuen Sieg bejubeln - und das für seinen Wahlkampf nutzen.
Die Impeachment-Untersuchung sei „eine sehr traurige Sache für unser Land“, sagte der Präsident kürzlich. „Aber politisch scheint sie sehr gut für mich zu sein.“ Ob er damit durchkommt, wird sich zeigen. Bis zur Präsidentschaftswahl im November 2020 sind es noch knapp elf Monate.
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