Als Roger Stone am Montagabend beim persönlichen Medien-Bodyguard des Präsidenten, Sean Hannity von Fox News, zum Plausch erschien, konnte der seit einem halben Jahrhundert tätige republikanische Strippenzieher Triumph-Gefühle kaum verbergen. Nachvollziehbar: Normalerweise wäre der 67-Jährige heute, Dienstag, eingefahren – ins Gefängnis. 40 Monate Haft wegen Zeugenbeeinflussung, Behinderung der Justiz und Lügen vor dem Kongress in der Russland-Affäre waren fest gebucht.
Bis Donald Trump kam. Mit einem präsidialen Federstrich, den Juristen als Ausdruck von „Korruption“ bezeichnen, hebelte er den per Gerichtsurteil verhängten Freiheitsentzug seines Buddys aus. Und entfachte damit in Washington einen Sturm der Entrüstung.
"Atemberaubende Bestechlichkeit"
Vorläufiger Höhepunkt: Die Nr. 3 im Staat, Nancy Pelosi, demokratische Sprecherin im Repräsentantenhaus, warf Trump einen „Akt atemberaubender Bestechlichkeit“ vor.
Sie verlangt ein Gesetz, das es US-Präsidenten untersagt, Haftstrafen für Straftäter aufzuheben, die an „Vertuschungskampagnen“ beteiligt waren, die den Präsidenten selbst vor Strafverfolgung schützen. Nach Beurteilung vieler Rechtsexperten ist das bei Stone/Trump der Fall.
„Bin kein Judas“
Unmittelbar vor Trumps Entscheidung am Freitagabend offenbarte sich Stone gegenüber dem TV-Journalisten Howard Fineman: „Er (Trump) wusste, dass ich unter enormem Druck stand, ihn zu belasten. Es hätte meine Situation bedeutend einfacher gemacht. Aber ich habe es nicht getan. Sie wollten, dass ich den Judas spiele, aber ich habe abgelehnt.“
2016 koordinierte der Kreml laut US-Sonderermittler Robert Mueller mit der Internetplattform WikiLeaks von Julian Assange, wann digital gestohlene eMails aus der Parteizentrale der Demokraten und Hillary Clintons Wahlkampfteam veröffentlicht werden sollten. Um der Demokratin zu schaden. Stone wusste davon, tauschte sich angeblich sogar mit dem russischen Hacker „Guccifer 2.0“ aus. Vor Republikanern erklärte er: „Ich habe mit Assange korrespondiert und glaube, dass die nächste Tranche seiner Dokumente die Clinton-Kampagne betreffen wird.“
Schatten über Trump
Trumps früherer Privat-Anwalt Michael Cohen sagte dazu später unter Eid aus, er habe persönlich gehört, wie Stone dem Präsidenten davon berichtet habe. Trump habe die Aussicht auf kompromittierendes Material gegen seine Konkurrentin um die US-Präsidentschaft so kommentiert: „Wäre das nicht großartig?“
Schwere Belastung für Trump
Entscheidend ist: In den offiziellen Vernehmungen und Anhörungen (Stone mündlich, Trump schriftlich) erklärten beide, nie über WikiLeaks etc. gesprochen zu haben. Robert Mueller verzichtete darauf, Trump persönlich zu einer Aussage zu bewegen. Eine strafrechtlich beweisbare Kooperation zwischen Russland und Team Trump wies er nicht nach. Trotzdem steht der Verdacht im Raum, dass der Präsident über die Sabotageaktion der Russen gegen Clinton nicht die Wahrheit gesagt hat.
Dieses Kapitel wird nun vor den Wahlen am 3. November neu aufgewärmt. Der notorisch medienscheue Mueller nahm Trumps Gnadenerlass in der Washington Post rigoros auseinander: „Stone wurde strafrechtlich verfolgt und verurteilt, weil er Bundesverbrechen begangen hatte. Er bleibt ein verurteilter Verbrecher – und das zu Recht.“
Sein Kalkül: Vor laufender Kamera soll die aus Sicht vieler Republikaner von A bis Z fragwürdige Russland-Affäre neu verhandelt werden, um dem in Umfragen stetig abstürzenden Trump Wahlkampf-Hilfe zu leisten. Doch das könnte auch ein Schuss nach hinten werden, wie Demokraten hoffen.
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