„Zu eng vor der Wahl“
Bundesrichterin Tanya Chutkan wäre bereits im März startklar gewesen. Nach der Intervention des Supreme Courts, den Trump so oft um Hilfe bat wie kein zweiter Staatsmann, im vergangenen Jahr legte sie das Verfahren notgedrungen auf Eis. Für den Fall, dass der Fall, wie jetzt geschehen, an sie zurückverwiesen würde, hatte Chutkan Trumps Anwälten 90 Tage Vorbereitungszeit versprochen. „Das dürfte vor der Wahl viel zu eng werden“, sagten Analysten im US-Fernsehen.
Der vom Justizministerium eingesetzte Sonder-Ermittler Jack Smith hatte Trump bei der von einer Geschworenen-Jury bestätigten Anklage vor fast einem Jahr detailliert Verschwörung und versuchten Wahlbetrug vorgeworfen.
Trump habe fälschlicherweise behauptet, es habe 2020 Wahlbetrug der Demokraten zu seinen Ungunsten gegeben. Schließlich habe Trump seine Anhänger am 6. Januar 2021 mit einer Hetzrede aufgestachelt, das Parlament in Washington zu stürmen.
Präzedenzfall
Trump und seine Anwälte bestreiten bis heute sämtliche Vorwürfe. Weil die US-Verfassung über die strafrechtliche Immunität eines Präsidenten nichts aussagt und vor Trump noch nie ein Commander-in-Chief vor einem Strafgericht stand, stellt die aktuelle Entscheidung einen historischen Präzedenzfall dar.
Viele, auch konservative Rechtsgelehrte, werfen dem Supreme Court vor, die Entscheidung über Trump bewusst über viele Monate massiv verzögert zu haben, um das Zeitfenster für einen Prozessbeginn vor der Wahl im November zu schließen. Das höchste Streitschlichter-Gremium der Nation hat durch drei Nominierungen Trumps in seiner Amtszeit 2017 bis 2021 eine stabil-konservative 6:3-Stimmen-Mehrheit bekommen.
Durch die Entscheidung der Obersten Gerichts, die bei den Demokraten auf Kritik, bei den Republikanern auf Zustimmung traf, bleibt dem amerikanischen Volk verwehrt, vor dem Wahlgang im November zu erfahren, ob der republikanische Präsidentschaftskandidat von einer Jury des Volkes schuldig gesprochen wird, weil er sich laut Anklage an den Prinzipien der amerikanischen Demokratie versündigt haben soll.
Kommentare