Eigentlich würde man denken, jemand hätte Trump warnen müssen. Schon Ronald Reagan hatte sich blamiert, als er 1984 Bruce Springsteens „Born in the U.S.A.“ im Wahlkampf spielen ließ – der „Boss“ hatte ihn daraufhin verklagt. Donald Trump tanzte 2016 dennoch zu dem Lied; Springsteen nannte ihn deshalb „Idiot“.
Überlange Playlist
Musiker, die sich mit Politikern anlegen, das gab es schon immer. Trump hat aber eine neue Dimension in diesem Segment eröffnet: Die Liste der Musiker, die sich gegen den politischen Missbrauch ihrer Lieder wehrten, scheint schier endlos. ABBA, die Beatles, Céline Dion, Elton John, Guns n’ Roses, Isaac Hayes, Leonard Cohen, Luciano Pavarotti, Neil Young, Prince, Queen, R.E.M, Rihanna, die Rolling Stones, Sinéad O'Connor, The Smiths und zuletzt sogar R&B-Queen Beyoncé haben ihn verklagt – und das sind längst nicht alle. Mittlerweile katalogisiert eine eigene Wikipedia-Seite die aufgebrachten Musiker.
Sie alle wollten nicht politisch vereinnahmt werden; manche waren bekennende Demokraten, andere wollten ihre Musik prinzipiell nicht politisiert wissen. Allerdings: Erfolg hatten bei Weitem nicht alle. Um Musikrechte kümmern sich in den USA große Agenturen, Broadcast Music Inc. oder die American Society of Composers; über sie werden „Cease and desist“-Briefe verschickt – also Unterlassungserklärungen. Kommt der Beklagte diesen nicht nach, droht ihm eine Strafzahlung – für Milliardär Trump aber eine Kleinigkeit.
Viele Künstler nutzen daher Social Media, um lautstark klarzustellen: Nicht mit meinem Song. Als Trump kürzlich Céline Dions Titanic-Song „My Heart Will Go On“ spielen ließ, postete die Kanadierin: „Echt jetzt, ausgerechnet dieses Lied?“ – eine Anspielung auf den schlechten Ausgang des Films. Johnny Marr, Gitarrist bei der Kultband The Smiths, wollte „diesem Scheiß“ öffentlich ein Ende machen, wie er schrieb. Trump hatte die Nummer „Please Please Please Let Me Get What I Want“ der Briten verwendet, obwohl die Band wie der Gegenentwurf zu Trump wirkt: Die leidenschaftlichen Establishment-Hasser hätten ihn in den Achtzigern wohl als perfekte Zielscheibe auserkoren.
Ein Hauch Rebellion
Dass Trumps PR-Maschinerie Titel aussucht, die zum gegensätzlichen politischen Spektrum gehören, ist aber kein Zufall. Auch Springsteens ikonischer Song „Born in the U.S.A“ ist keine Ode ans große Amerika, sondern handelt ausgerechnet von der Entzauberung des amerikanischen Traums. Trump hat die Botschaft aber nicht missverstanden: Schon lange kapert die Neue Rechte Symbole der Popkultur und der linken Szene – einerseits, um sich selbst den Gestus des Rebellischen anzueignen, andererseits, um die Symbole für politische Opponenten zu entwerten.
Bei Trump funktionierte die Strategie manchmal, einige Male ging sie nach hinten los. Nachdem Springsteen ihn 2016 verklagt hatte und offiziell Hillary Clinton unterstützte, wurde sein Song bei den Rallys jedes Mal ausgebuht – das war für Trump jedoch peinlich, da er dabei selbst auf der Bühne stand. Bei Beyoncé war man klüger. Als sie ihre Unterstützung für Kamala Harris bekannt gab, strich man ihren Song „Freedom“ schnell von der Playlist.
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