Impeachment: Das I-Wort und das "arme Land"
Kaum stecken die ehemaligen Donald Trump-Getreuen Paul Manafort und Michael Cohen im juristischen Würgegriff, da macht in Washington wieder das I-Wort die Runde. I wie „Impeachment“ (Amtsenthebungsverfahren). Mehr noch: Die in der US-Geschichte noch nie erfolgreich gezogene Option der parlamentarisch erzwungenen Entfernung des Präsidenten aus dem Amt wird zum heißen Eisen vor den Kongresswahlen in zehn Wochen.
Obwohl: Bei den Parteien herrscht irgendwie verkehrte Welt. Die demokratische Führung um Nancy Pelosi und Chuck Schumer tritt auf die Bremse. Beide wissen, dass ein Amtsenthebungsverfahren ein zweischneidiges Schwert ist. Die Republikaner dagegen nutzen das laute Gegrummel um einen vorzeitigen Rauswurf Trumps zur Mobilisierung. Sie wollen den Wahlgang am 6. November zur Volksabstimmung über die umstrittene „America First-Politik“ des Präsidenten machen, der in seinem Haus-TV-Sender Fox News bereits die Apokalypse verkündete: „Wenn ich je des Amtes enthoben werden sollte, würde der Markt zusammenbrechen“, sagte Trump gestern, „ich denke, alle wären dann sehr arm“.
Chance liegt bei Null
Wie viel Angstmacherei und Wunschdenken hier im Spiel ist, zeigen die realen Verhältnisse. Die Chancen für eine Amtsenthebung Trumps liegen aus heutiger Sicht bei Null. Über allem stehen die Halbzeit-Wahlen im Kongress. 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 35 von 100 Sesseln im Senat sind neu zu vergeben. Behalten die Republikaner die Mehrheit, ist das Impeachment-Geraune Makulatur. Allerdings sagen Meinungsforscher seit Monaten eine „blaue Welle“ voraus – einen Erdrutschsieg der Demokraten. Je nach Institut wurden die Gewinne im Repräsentantenhaus auf 12 bis 70 Sitze prognostiziert. 24 würden reichen, um die Mehrheit zu erlangen.
Zwar sind die Hoffnungen heute entschieden gedämpfter. Aber Fox News berichtete gestern, dass 49 Prozent der Wähler – wenn heute entschieden würde – für Demokraten stimmen würden, nur 38 Prozent für republikanische Kandidaten.
Wie belastbar diese Zahlen sind, steht nach der Demoskopen-Pleite bei der Präsidentenwahl 2016 dahin. „Es könnte auch ein Kopf-an-Kopf-Rennen geben“, sagte ein den Demokraten zuneigender Meinungsforscher dem KURIER.
Trump nutzt das aus. „Es wird eine rote Welle geben“, behauptet er antizyklisch. Wie unsicher Trump tatsächlich ist, wie sehr er die Total-Blockade seiner Regierungs-Agenda fürchtet, die automatisch mit einem Sieg der Demokraten verbunden wäre, zeigt sein Reise-Kalender. Bis zum Urnengang will der Präsident 40 Mal in umkämpften Wahlkreisen von Montana bis Pennsylvania aktiv werden.
Dennoch: Angenommen, die Demokraten holen das Repräsentantenhaus zurück und ein Impeachment-Verfahren würde eingeleitet – nichts spräche für einen Erfolg. Der Schritt müsste im 100-köpfigen Senat mit 67 Stimmen abgesegnet werden. Die Demokraten haben dort heute 49 Sitze. Dass die Republikaner in dieser Dimension verlieren oder sich mit den Demokraten solidarisieren, ist – vorbehaltlich der Ergebnisse der Untersuchungen von Sonder-Ermittler Robert Mueller in der Russland-Affäre – illusorisch.
Pateilinke drängt
Gleichwohl steigt der Druck auf die Demokraten-Spitze, die „Parlamentskeule“ in der Debatte zu halten. Angefeuert von dem kalifornischen Milliardär Tom Steyer, der bereits 5,5 Millionen Unterschriften für eine Petition gesammelt hat, die den Kongress zur Amtsenthebung drängt, sieht vor allem die Parteilinke die Notwendigkeit, die „von Trump beschädigte Integrität des höchsten Staatsamtes zu reparieren“. Wie das ausgehen kann, erfuhren die Republikaner 1998. Ihr Versuch, Bill Clinton wegen der Lewinsky-Affäre zu x-en, scheiterte. Bei den „midterms“ kurz darauf verloren sie fünf Parlamentssitze. Newt Gingrich, der damals Sprecher des Repräsentantenhauses war und sich gerne mit Napoleon verglich, erlebte sein Waterloo: Rücktritt.
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