Was verschweigt Donald Trump in der Epstein-Affäre? 5 Theorien
Kein Politikskandal der jüngeren US-Geschichte ist von einer so toxischen Mischung aus Macht, sexuellem Missbrauch, Geheimnissen und globalen Verflechtungen geprägt wie der Epstein-Komplex. Und wenn - wie gerade geschehen - neue Dokumente auftauchen, wirkt niemand nervöser als Donald Trump, der einst eng mit dem verstorbenen Finanzjongleur befreundet war. Bis zuletzt blockierte der Präsident die Freigabe der Epstein-Akten des Justizministeriums. Unter massivem Druck aus der republikanischen Partei hat er am Sonntagabend die Kehrtwende vollzogen.
Der Weg zur Veröffentlichung der Papiere, die er ohne jede Parlaments-Beteiligung längst selbst hätte anordnen können, ist damit aber noch nicht frei. „Trump bleiben Instrumente der Blockade und Sabotage", sagen Experten in Washington, „er kann am Ende sein Veto einlegen.” Hat Trump allen gegenläufigen Beteuerungen zum Trotz doch etwas zu verbergen?
Fünf Theorien dominieren die Debatte. Keine ist bewiesen - aber jede zeigt, warum Trump möglicherweise mehr zu verlieren hat, als er zugibt:
Die Angst-Spur: Neue Fotos, Zeugenaussagen aus Epsteins Umfeld
Donald Trump spielte seine Freundschaft mit Epstein stets herunter. Doch die jüngst veröffentlichten eMails aus dem Nachlass des verurteilten Sexualtäters zeigen eine Nähe, die weit über Smalltalk hinausgeht. 2011 schrieb Epstein an seine Gespielin Ghislaine Maxwell, Trump sei „der Hund, der nicht bellt“. Statthafte Übersetzung: Er wusste Bescheid – und schwieg.
Sollten in den vollständigen Akten Bewegungsprofile oder Aussagen auftauchen, die das stützen – wäre das politischer Sprengstoff. Zudem behauptet der Autor Michael Wolff, von Epstein Fotos gesehen zu haben, die Trump mit halbnackten, minderjährigen Mädchen zeigen. Eine Aktenfreigabe mit allen digitalen Spuren, Kalendernotizen, Logbüchern, Videos und Polaroids aus Epsteins Besitz könnten zeigen, dass Indizien, die Trump kategorisch als Lügen abtut, tatsächlich existieren.
Die Finanzspur: Epstein als Geld-Jongleur – und Trumps wunde Flanke
Gab es finanzielle Verstrickungen Trumps mit dem verurteilten Pädophilen? Jeffrey Epstein war Finanzvermittler für Superreiche und hatte Zugang zu diskreten, teils schwer durchschaubaren Vermögensstrukturen. Beispiel: Leon Black. Der langjährige Apollo-CEO bestätigte selbst, Epstein zwischen 2012 und 2017 rund 160 Millionen Dollar für „Steuer- und Vermögensberatung“ gezahlt zu haben. Was rechtfertigt Zahlungen in dieser Höhe?
Dazu kommt eine Russland-Vermutung. Demokraten sagen, dass Epstein regelmäßig in Kreisen auftauchte, die Schnittstellen zu russischen Oligarchen hatten. Etwa bei Galas der „Clinton Global Initiative“ und in New Yorker Banken-Zirkeln. Es gibt keine öffentlich bekannten Belege dafür, dass Epstein für Trump als Geldbeschaffer tätig war. Aber es gibt auch keine Aktenlage darüber, dass dies nicht der Fall ist.
Die Schutz-Theorie: Wessen Namen würden fallen, wenn die Epstein-Akte frei wird?
In den bisher bekannten Unterlagen tauchen Namen auf, die jede Regierung nervös machen würden – unabhängig von Schuld oder Unschuld: Bill Clinton – mindestens 26 Flüge in Epsteins Jet; bestreitet aber jedes Fehlverhalten. Prince Andrew – britisches Königshaus, wurde durch Virginia Giuffres Aussagen schwer belastet. Elon Musk – Tech-Milliardär, wiederholt mit Epstein „Zuhälterin” Ghislaine Maxwell fotografiert, später vehemente Distanzierung. Larry Summers – Ex-US-Finanzminister, Harvard-Präsident, eMails bezeugen regelmäßigen Kontakt zu Epstein, auch nach dessen Verurteilung 2008.
Ehud Barak – Israels ehemaliger Premierminister, wurde mehrfach auf Bildern mit Epstein gezeigt, gab Geschäftsbeziehungen zu Epstein zu. Eine Offenlegung könnte die USA-Israel-Dynamik erschüttern. Les Wexner – Gründer des Dessous-Firma „Victoria’s Secret”, Epstein war sein Finanzberater, erhielt ungewöhnlichen Zugriff auf Vermögen. Alan Dershowitz – Star-Anwalt, wiederholt in Epsteins Umfeld aufgetaucht, bestreitet alle Vorwürfe.
Trump könnte, so die Theorie, eine Kettenreaktion fürchten, die nicht ihn allein beschädigt, sondern ein ganzes Netzwerk aus Politik, Wirtschaft und internationalen Eliten. Thomas Massie, republikanischer Abgeordneter und treibende Kraft hinter der für diesen Dienstag geplanten Abstimmung über die Freigabe der Epstein-Papiere, bestätigt das: „In diesen Akten sind mindestens 20 Personen aufgeführt – Politiker, Milliardäre, Filmproduzenten –, die strafrechtlich belastet sind und gegen die noch nicht ermittelt wurde.” Sein Kongress-Kollege Pete Sessions (Texas) setzte noch einen drauf. Das FBI horte „Hunderte Stunden Video-Bänder aus Schlafzimmern, von Partys und Leuten, die Epstein besucht haben”, sagte Sessions. Wer ist darauf zu sehen?
Prinz Andrew, Virginia Giuffre und Ghislaine Maxwell
Die Geheimdienst-Frage: War Epstein ein Asset - und woran starb er wirklich?
War Epstein ein Informant für US- oder israelische Geheimdienste, der kompromittierende Szenen von reichen, einflussreichen Männern auf Video aufzeichnen ließ, um sie später zu erpressen? Diese Hypothese wird intensiv in Expertengesprächen gehandelt. Sie beruht auf Aussagen des früheren israelischen Agenten Ari Ben-Menashe, den Geheimdienst-Kontakten von Ghislaine Maxwells Vater Robert Maxwell sowie der ungewöhnlichen Immunitätsvereinbarung Epsteins von 2008, die laut Gerichtsdokumenten „von oben abgesegnet“ worden sein soll. Hätte Epstein tatsächlich „Kompromat" gesammelt, könnten die Akten Hinweise enthalten, für wen er arbeitete – und wer geschützt wurde. Sollte es Erpressungsmaterial geben und Trump in diesem System eine (Mitwisser)Rolle gespielt haben, wäre das ein Staatsstreich-Moment.
Dazu passt eine zweite Theorie: Epstein fürchtete kurz vor seiner Verhaftung 2018, dass Trump „ihn loswerden wolle“. Ex-Trump-Anwalt Michael Cohen behauptet, Trump habe sich über Epstein abfällig geäußert: „Er weiß zu viel.“ Dass das Justizministerium Epsteins Gefängnisbedingungen verschlechterte, wird von Analysten als „gewollt“ interpretiert. Dass die Video-Überwachung, die in genau jener Nacht vorübergehend ausfiel, in der Epstein 2019 in New York angeblich Suizid begangen hat, verstärkt Spekulationen über die Todesursache zusätzlich.
Die Maxwell-Theorie: Hat sie Herrschaftswissen, das Trump zu Fall bringen könnte?
Warum genießt eine wegen schwerer Sexualverbrechen zu 20 Jahren Haft verurteilte Frau auf Anweisung des Justizministeriums Privilegien, die andere Inhaftierte niemals bekämen? Warum wünscht Trump dieser Frau demonstrativ „alles Gute”?
Die jüngsten Berichte über die Sonderbehandlung für Ghislaine Maxwell nähren bei Republikanern wie Demokraten den Verdacht, dass die 63-Jährige über Herrschaftswissen verfügt, was das Verhalten von Promis (wie Trump) aus Politik und Wirtschaft bei Epstein-Events angeht. Ein Mitarbeiter im Repräsentantenhauses formuliert es drastisch: „Wenn Maxwell wirklich reden würde, fällt ein halber Wald.”
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