Bei seinem Besuch in Kenosha am Dienstagabend (MESZ), lobte US-Präsident Donald Trump die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nationalgarde: „Das ist ein Beispiel, was passieren kann, wenn man es richtig macht.“ Man werde Kenosha jetzt schnell wieder in gute Verfassung bringen, zeigte sich Trump zuversichtlich und beschrieb eine Spur der Verwüstung infolge der Ausschreitungen.
Er verurteilte "gewalttätige Mobs" unter den Demonstranten: „Das waren keine friedlichen Proteste, das war innerstaatlicher Terror.“ Ultralinke Politiker würden diese Bewegung unterstützen, die er als „Antifa“ identifizierte.
"Auf den Straßen herrschte Liebe"
Sein Besuch war im Vorfeld kritisch beäugt worden. Zu Unrecht, wie Trump behauptete: „Auf den Straßen von Wisconsin herrschte Liebe, als wir gekommen sind.“ So viele Afroamerikaner und hispanische Bewohner seien auf der Straße gewesen und hätten sich über den Besuch gefreut: „Alles was sie wollen, ist Friede“, meinte Trump und versprach Millionenhilfen.
Dem gesamten Bundesstaat Wisconsin würden 42 Millionen Dollar für die öffentliche Sicherheit bereitgestellt. Zudem sollten die Geschäfte, die durch die Auseinandersetzungen Schaden erlitten hätten, mit fast vier Millionen Dollar unterstützt werden.
"Trump schürt Gewalt"
Dass Donald Trump bei Akteuren politisch motivierter Gewalt mit zweierlei Maß misst, ist bekannt. Faustregel: Täter aus nationalistischen, rassistischen, rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Kreisen dürfen in der Regel mit Nachsicht und Verständnis rechnen. Wer Muslim ist oder zum linken Lager gehört, gar zur Antifa, bekommt die ungefilterte rhetorische Härte des US-Präsidenten zu spüren.
Am Montagabend lieferte Trump ein besonders eindrückliches Beispiel für diese von Kritikern als latent staatszersetzend bezeichnete Haltung ab. Nachdem sein Herausforderer bei der Wahl im November, der Demokrat Joe Biden, die jüngsten Gewaltexzesse in Kenosha und Portland (drei Tote – zwei linke und ein rechtes Opfer) unmissverständlich verurteilte und Trump „moralisches Führungsversagen“ sowie „Gewaltschüren“ vorwarf, argumentierte Trump bei einer Pressekonferenz im Weiße Haus differenziert.
Mord oder Notwehr?
So nahm der Präsident den wegen zweifachen Mordes angeklagten Kyle Rittenhouse ausdrücklich in Schutz. Der 17-jährige Waffen-, Polizei- und Trump-Fan hatte im losen Verbund einer informellen Bürgerwehr in Kenosha zwei linke Demonstranten mit einem Sturmgewehr erschossen. Ein dritter Beteiligter überlebte mit schweren Armverletzungen.
Selbsternannter Ordnungshüter
In der Stadt im Bundesstaat Wisconsin war es nach dem Schusswaffen-Einsatz der Polizei gegen den Schwarzen Jacob Blake (29) tagelang zu schweren Unruhen und Brandschatzungen gekommen.
Rittenhouse fühlte sich berufen, für Ordnung zu sorgen und Eigentum von Geschäftsleuten zu schützen. Dabei geriet er mit Demonstranten in Konflikt. Auf Videos ist zu sehen, wie er nach dem ersten Schusswaffeneinsatz von Protestierenden verfolgt und angegriffen wird und dabei erneut das Schnellfeuergewehr vom Typ AR-15 bedient. John Pierce, Anwalt von Rittenhouse, erklärte auf dem Sender Fox News, sein Mandant habe eindeutig aus Notwehr gehandelt, andernfalls hätte man ihn getötet.
"Er war in großer Not"
Genau diese Argumentation machte sich, wissend um den gegenteiligen Befund der anklagenden Staatsanwaltschaft, Trump vollständig zu eigen. „Er hat versucht, von ihnen wegzukommen, und dann ist er gefallen, und dann haben sie ihn sehr heftig angegriffen“, sagte Trump am Montag zu der Konfrontation zwischen Rittenhouse und linken Demonstranten. „Ich denke, er war in großer Not, er wäre wahrscheinlich getötet worden.“
Für Rechte ein Held
Der Präsident verteidigte de facto den Heranwachsenden, der in rechtsextremen Internetkreisen als Held gefeiert wird. Um die Anwaltskosten bestreiten zu können, wurden bereits mehr als 250.000 Dollar für Rittenhouse gesammelt. Demokratische Politiker und Kriminal-Experten kritisierten die Parteinahme Trumps, der sich seit Tagen als Hüter von Gesetz und Ordnung darstellt, in einem laufenden Verfahren als „ungeheuerlich“.
Gleiches gelte für die Interpretation der Geschehnisse ins Portland/Oregon. Dass dort ein Mitglied der rechtsradikalen Gruppe „Patriot Prayer“ erschossen wurde, sei „schändlich“, sagte Trump. Dass Trump-Anhänger zuvor mit einem Auto-Korso durch die Stadt fuhren und linke Gegendemonstranten mit Pfefferspray und Farbpatronen-Waffen beschossen, ist für den Präsident Beleg dafür, dass hier „friedlich protestiert“ wurde. Schließlich, so sagte er, seien Farbpatronen keine Kugeln.
Barb McQuade, früher Bundesanwältin, heute Rechtsprofessorin in Michigan, warf Trump ein „gefährliches Spiel“ vor. Militante Anhänger des Präsidenten, die sich in Zukunft ebenfalls zu Selbstjustiz berufen fühlen, könnten sich durch Trump persönlich legitimiert fühlen. „Das ist das Gegenteil von Recht und Gesetz“, sagte McQuade.
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