Trump-Schwiegersohn plant Luxus-Ressort in Albanien - wie die EU darauf reagiert
            
            Wenn die Dämmerung hereinbricht, gehört die Dünenlandschaft von Vlora wieder den Flamingos. Ihre Schwärme ziehen lange Striche über den Himmel, ihr Schnattern erfüllt die Luft. Das Dröhnen der Betonmischer und Lkw-Motoren hat der Natur wieder Platz gemacht – für ein paar Stunden. Morgen werden sie wieder über die frisch betonierte Piste rollen, zur Baustelle des neuen Flughafens, der hier im Naturschutzgebiet entsteht. „Die haben es furchtbar eilig“, schildert Joni von der Umweltschutzorganisation PPNEA die Lage: „Die Regierung will Fakten schaffen – und dafür braucht sie sehr viel Beton.“
            
            
            Fakten schaffen will man tatsächlich, das macht jeder Entscheidungsträger in Albanien deutlich, bis hinauf zur fast übermächtigen politischen Zentralfigur des kleinen Landes zwischen Balkan und Adria: Premierminister Edi Rama. „Der Flughafen ist in einem Jahr fertig“, macht er im Gespräch mit dem KURIER deutlich. Dahinter stünden schon die internationalen Investoren bereit.
Freie Bahn für Investoren
Der prominenteste unter ihnen: Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Der 44-Jährige hat überall auf dem Balkan riesige Immobilienprojekte am Laufen, eines der größten entsteht in Vlora, im Süden Albaniens. Kushner hat hier einen 15 Kilometer langen Küstenstreifen entdeckt, samt einer Insel, die einst die Militärchefs des stalinistischen Regimes nützten.
Wo heute Dünen, Waldstreifen und Felsklippen wechseln, sollen in naher Zukunft 10.000 Wohneinheiten entstehen: Hotels, Luxusappartements – und das alles, wie Kushner bei einem kurzen Auftritt in Albanien betont hat, mit jeder Menge Rücksicht auf die Natur.
Doch die sei viel zu sensibel, um dem Ansturm standzuhalten, betonen Albaniens Naturschützer. Diese Küstenlandschaft hat nicht nur das Meer gestaltet, sondern auch der Fluss Vjosa. Der mündet hier, gestaltet so das letzte unberührte Delta Europas; Heimat nicht nur für rund 7.000 Flamingos, sondern auch Hunderte andere bedrohte Vogelarten.
Die Politik hat Kushner und anderen internationalen Geldgebern trotzdem bereitwillig den Weg frei gemacht. Eine umfassende Reform von Umweltgesetzen ist quasi für sie maßgeschneidert worden. Darin schreckt man auch vor Absurditäten nicht zurück – wie etwa, dass das Bauen touristischer Anlagen in Naturschutzgebieten erlaubt ist, wenn diese Fünf-Sterne-Niveau erreichen und Rücksicht auf die Umwelt nehmen – wie, da ist man nicht so genau.
„Diese Reform ist ein Witz“, wird Silvio Gonzato, EU-Botschafter in Albanien, für einen Diplomaten sehr deutlich. Ähnlich kritisch ist der österreichische EU-Abgeordnete Andreas Schieder (SPÖ). Als Berichterstatter des EU-Parlaments verfolgt er Albaniens Weg in Richtung EU seit Jahren, weiß von den beeindruckenden wirtschaftlichen und politischen Fortschritten, die das Land gemacht hat, aber auch von den Schattenseiten, die man in Brüssel gerne übersieht: „Für internationale Investoren wird hier alles getan – und manchmal eben zu viel.“
„Für internationale Investoren wird hier alles getan – und manchmal eben zu viel.“
EU-Abgeordneter
Geld aus dem Ausland fließt seit Jahren nach Albanien, die Quellen dafür sind oft schwer aufzuspüren. Hinter dem Flughafen Vlora etwa stehen Firmengruppen aus dem benachbarten Kosovo und der Schweiz. Es gab schnelle und wirtschaftlich nicht logische Umschichtungen unter den Teilhabern. Vor allem aber gab es schon 2023 von Albaniens Regierung die Mitteilung, dass der Flughafen fertig sei. Ein simpler Lokalaugenschein, ein Blick über den Stacheldrahtzaun auf die Baustelle, macht sofort klar, dass man davon noch weit entfernt ist.
Rücksicht in Brüssel
Das EU-Parlament hat 2023 einen Stopp des Flughafenbaus gefordert. In den EU-Berichten zu den Beitrittskandidaten, von denen der jüngste diese Woche veröffentlicht wird, sind gerade die Probleme mit dem Umweltschutz ausdrücklich erwähnt. „Die Regierung in Tirana unterschätzt die Bedeutung des Themas Umwelt für den EU-Beitritt total“, warnt Schieder.
            
            
            Andreas Schieder mit dem Fraktionschef der in Albanien regierenden Sozialisten, Taulant Balla
Noch deutlicher wird die albanische Opposition, wie die über viele Jahre für die Beziehungen Albaniens zur EU zuständige Abgeordnete Jorida Tabaku: „Die Regierung macht schön inszenierte Präsentationen, die mit der Realität im Land nichts zu tun haben.“ Die EU müsse endlich genauer hinschauen und nicht nur Kapitel für Kapitel von Albaniens Beitrittsvertrag abhaken.
Doch in Brüssel wolle man eben eine Erfolgsstory sehen, beklagt Naturschützer Joni, der selbst in Belgien war, um EU-Vertretern die drohende Zerstörung des Naturschutzgebietes in Vlora zu schildern: „Doch während dort die Debatte läuft, geben sie hier auf der Baustelle Vollgas.“ Um das Projekt zu stoppen oder zumindest neu zu gestalten, brauche es viel klarere Worte von der EU-Kommission, die die Beitrittsverhandlungen durchführt.
Schieder hofft, dass Albanien sich bei seinem Rennen in Richtung EU nicht selbst schadet: „Denn mit dem Verbauen unberührter Küstenlandschaften kann es schnell wieder vorbei sein – wenn keine mehr übrig sind.“
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