Schmutziges Wasser, schmutzige Geschäfte: Auf der Spur von Umweltsünden in Montenegro

„Europa Beach“ steht in mächtigen Lettern auf dem hölzernen Portal, dahinter ein Restaurant, eines von vielen, die sich hier wild verstreut über die Dünen und den Strand ausgebreitet haben. Urlaubsidylle im äußersten Süden Montenegros – und zugleich eine unangenehme Erinnerung daran, wie weit von diesem Europa, von seinen politischen Spielregeln und Gesetzen man hier noch entfernt ist.
Hier wurden sehr lange sehr dunkle Geschäfte macht. Jetzt schaut die EU wenigstens hin. Das ist schon ein Schritt in die richtige Richtung.“
EU-Abgeordneter der Grünen
Der „Große Strand“ von Ulcin, 13 Kilometer unverbaute Küste und Dünenlandschaft: ein Naturdenkmal, so steht es in den offiziellen Karten der Raumplaner. Doch, was dort eingezeichnet ist, das kümmert in Ulcin schon lange keinen mehr, Restaurants, Campingplätze, Parkplätze direkt in die Dünen asphaltiert. Ob“s Genehmigungen gibt, oder nicht, so genau weiß man das auch in Bürgermeisteramt nicht – dort verweist man lieber gleich auf die Behörden in der Hauptstadt Podgorica. Das sei deren Angelegenheit.
„Keine Lizenzen, keine Gewerbegenehmigungen und dann natürlich auch keine Abwasser-Leitungen“, Thomas Waitz kennt den Wildwuchs zwischen legal, illegal und halblegal, der sich nicht nur hier, sondern überall in Montenegro ausbreitet, nur zu gut.

Waitz im Flusstal von Komarnica im Norden Montenegros
In 20 Jahren hat der Grüne EU-Parlamentarier aus Österreich dieses Land und die, die es unter sich aufteilen, kennengelernt. Jetzt leitet er die Delegation des EU-Parlaments, die mitverantwortlich ist, um das kleine Balkanland in die EU zu begleiten, „Nach Europa“, wie die Menschen hier sagen – und es klingt wie ein sehr ferner Kontinent. Trotzdem wollen 80 Prozent der Montenegriner dorthin. Vor allem die Jungen, von denen sich ohnehin schon Zehntausende auf den Weg gemacht haben. Das hat die Bevölkerung des Landes inzwischen auf 600.000 Menschen schrumpfen lassen. Den eigenen Politikern trauen sich viele schon lange nicht mehr, was den EU-Beitritt, vor allem aber, was ihre eigene Zukunft angeht. „Jobs werden hier grundsätzlich an Bekannte und Freunde vergeben, an die die Beziehungen haben“, erzählt die Jusstudentin Sana bei einer Bürgerversammlung in der Hauptstadt Podgorica: „Darum sehen so viele von uns keine Chancen und gehen.“
Jobs gehen hier an, die die Beziehungen haben, die, die etwas können, gehen deshalb fort.
Jusstudentin in Podgorica
Geheimdeal mit Arabien
Diese Freunderlwirtschaft gibt der Politik die Richtung vor - auch wenn die Interessen des Landes dabei unter die Räder kommen. Der „Große Strand“ machte in diesem Frühjahr in ganz Europa Schlagzeilen. Reporter hatten einen Deal aufgedeckt, den die Regierung mit Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgehandelt hatte. Der ganze Strand samt Hinterland sollte in einem Stück an einen Immobilienmogul namens Mohamed Alabbar gehen. Der plante dort - quer durch eigentlich geschützte Natur – seine Urlaubsresorts und Appartementblocks. Im Hintergrund dabei war, so das hartnäckige Gerücht, war der wohl immer noch einflussreichste Familienclan des Landes, rund um den ehemaligen Langzeitmachthaber Milo Djukanovic. Dass man dabei sämtliche EU-Spielregeln für öffentliche Großprojekte brach, kümmerte niemanden.
Im letzten Moment stoppten der Widerstand der örtlichen Politik in Ulcin und zuletzt der Staatspräsident das Projekt. Übrig bleibt ein Ort, an dem die großen Bausünden gerade noch einmal verhindert wurden, während die kleinen Bausünden überall weitergehen. Ferienhäuser auf einer eigentlich naturgeschützten Insel. „Die laufen alle unter vorübergehende Einrichtungen“, erzählt eine Umweltschützerin mit galligem Humor: „dafür brauchen sie dann auch keine Abwasserleitungen für ihr Klo.“
Absurder Populismus
Dass man Umweltschutz in diesem Land vielerorts für überflüssigen Schnickschnack hält, hat auch bei den EU-Behörden für Verstimmung gesorgt. Nicht nur stecken die Beitrittsverhandlungen gerade beim Thema Umwelt fest, auch bereits fix zugesagte Förderungen aus Brüssel wackeln bedrohlich. Etwa für eine Kläranlage für die Hauptstadt Podgorica, die immer noch einen Gutteil ihrer Abwässer in den örtlichen Fluss leitet - und von dort in den größten See Südeuropas. Wieder eine Bedrohung für eine Bedrohung für eine einzigartige Landschaft und wieder ein Spielfeld für politischen Populismus und für die Interessen einflussreicher Familienclans. Örtliche Politiker haben sich die Verhinderung der Kläranlage zum Ziel gesetzt. Und so absurd schon dieses Ziel aus europäischer Perspektive scheint, so absurd scheinen auch die Argumente. Das wird die Kläranlage tatsächlich als Bedrohung für die Umgebung dargestellt und mit dem Katastrophenreaktor Tschernobyl verglichen.
All diese Umweltsünden, aber auch über Probleme der Justiz wie den nicht funktionierenden Verfassungsgerichtshof sind Themen, die der grüne EU-Abgeordnete mit örtlichen Politikern und Spitzenbeamten zu klären versucht. Ein mühsamer Prozess, bei dem man sich sehr leicht Feinde hier macht. Waitz muss Forderungen und Spielregeln der EU deutlich machen, ohne aber die, die sie brechen , anzuprangern. „Wenn ich einen Politiker hier öffentlich bloß stelle, fühlt er sich in seiner Ehre gekränkt - und das ist in dieser Gesellschaft das Schlimmste. Dann blockiert er alles.“
Der Weg in Richtung EU besteht aus mühsamen kleinen Schritten - oft „mit fest zugedrückten Augen in Brüssel“, macht sich Waitz keine Illusionen über die oft mangelnde Beitrittsreife des Landes. Dass Wasser, in dem viele der Mächtigen in Montenegro schwimmen würden, sei leider oft sehr trüb: „Genau das kommt denen aber sehr recht. Dann sieht man nicht so genau. was sie treiben.“
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