Trotz vielfacher Hirnschäden: Havanna-Syndrom "kein ausländischer Angriff"
Es ist ein äußerst mysteriöses Phänomen – und wird es vorerst weiter bleiben: das Havanna-Syndrom, benannt nach der kubanischen Hauptstadt, wo es 2016 erstmals bei Angestellten der US-Botschaft auftrat.
Zu dem Begriff zählt in Wahrheit eine Reihe von Symptomen, allesamt ausgelöst durch plötzliche Hirnschäden, unter denen vor allem US-amerikanische Diplomaten und Geheimdienst-Mitarbeiter sowie deren Angehörige in diversen Ländern bis heute leiden.
Wer betroffen ist
Die ersten Fälle traten 2016 bei Mitarbeitern der US-Botschaft in Kuba sowie deren Angehörigen auf, später kamen bis zu 200 bestätigte Betroffene in US-Einrichtungen in Shanghai, Washington, Wien, Berlin und Neu-Delhi hinzu.
Welche Symptome auftreten
Betroffene berichten von plötzlichen, starken Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen. Fast alle hörten vor dem ersten Auftreten ein lautes Rauschen. Bei Untersuchungen wies der Großteil von ihnen bleibende Hirnschäden auf. Viele von ihnen sind heute arbeitsunfähig.
Wie die Washington Post am Donnerstag berichtete, kamen sieben US-Geheimdienste bei einer umfassenden Untersuchung von mehr als 1.000 möglichen Fällen in knapp hundert Ländern zu dem Schluss, dass hinter dem Havanna-Syndrom wohl kein staatlicher Akteur steckt.
Fünf der Geheimdienste hielten einen ausländischen Angriff auf das US-Personal demnach für „sehr unwahrscheinlich“, eine Behörde nannte ihn „unwahrscheinlich“, eine andere sah sich nicht imstande, eine klare Einschätzung abzugeben. Die Ursache für das Syndrom bleibe damit weiterhin ein „Rätsel“, heißt es.
Geräusche im Schlafzimmer
Für die Betroffenen ist das Untersuchungsergebnis ein herber Rückschlag. Viele von ihnen behaupten vehement, Opfer einer gezielten Attacke geworden zu sein.
So berichtet der überwältigende Großteil davon, die rätselhaften Symptome zunächst nur abends und meist nur in einem einzigen Zimmer – meist dem eigenen Schlafzimmer – gespürt zu haben; fast immer angekündigt durch ein eindringliches Geräusch, das viele Betroffene als „Rauschen“ oder „Klingeln“ beschreiben. Daraufhin hätten sie sofort starken Druck in den Ohren verspürt, meist gefolgt von starken Kopfschmerzen und Schwindel.
Viele sind heute noch arbeitsunfähig
Solche Fälle traten inzwischen in etlichen US-Botschaften, unter anderem in Wien, auf. Nur einmal traf es eine Gruppe kanadischer Diplomaten. Bei jenen, die den Symptomen länger ausgesetzt waren, wurden später bleibende Hirnschäden festgestellt, die sich meist auf ihre Sehkraft, ihren Gleichgewichtssinn oder ihre Konzentrationsfähigkeit auswirkten. Mehr als einhundert Betroffene sind heute arbeitsunfähig.
Ein unabhängiges US-Expertengremium erklärte erst im vergangenen Jahr, dass die Berichte darauf hindeuten, dass die Betroffenen wohl starker elektromagnetischer Strahlung oder Mikrowellen ausgesetzt wurden. So wären die Schäden am Hirngewebe – durch Erhitzung – erklärbar.
Betroffene forderten lange umfassendere Untersuchungen. Das am Donnerstag präsentierte Ergebnis werden sie dabei nicht erwartet haben.
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