Traktoren vorm Brandenburger Tor: Bauernaufstand in Berlin
Sie sind seit Tagen unterwegs und heute Morgen vors Brandenburger Tor angerollt: Tausende Landwirte auf ihren Traktoren, die sie nun auf dem Pariser Platz zwischen Adlon und US-Botschaft geparkt haben.
„Wer Bauern quält, wird abgewählt“, „Farming for future“ oder „Früher war alles besser, da kam das Essen noch aus Deutschland“ steht auf Plakaten der Demonstranten; einige tragen Warnwesten und grüne Kreuze vor sich her.
Entspannter Bauer auf seinem Vehikel
Die deutsche Kuh durfte nicht fehlen
...Brandenburger Tor
Die Bauern zeigten grüne Kreuze...
...und gelbe Westen
Traktoren
noch mehr Traktoren
junge Traktoren
Demo mit Plakaten und Deutschlandfahnen
Droht Deutschland der "Landfraß"?
Die Menschen, die sich hier aus sämtlichen Bundesländern versammelt haben, demonstrieren gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung bzw. ein im September vorgestelltes Paket. Es sieht unter anderem eine Umschichtung von Subventionen, strengere Vorschriften für Pflanzenschutzmittel und Insektizide vor (Glyphosat soll ab 2023 verboten werden).
Großer Aufreger ist auch die Düngeverordnung. Nachdem Deutschland von der Europäischen Union schon vor Jahren wegen zu hoher Nitratkonzentrationen im Grundwasser verklagt wurde und das bisher verschärfte Düngerecht nicht ausreichend war, musste eine neue Regelung gefunden werden.
Das Nitrat, das vor allem aus Dünger wie Gülle stammt, kann sich durch Bakterien in Nitrit umwandeln und dann gesundheitsgefährdend sein. In Regionen mit Massentierhaltung und Anbau von Energiepflanzen wie Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wurde besonders viel Nitrat im Grundwasser festgestellt. Hier soll der Düngereinsatz um 20 Prozent reduziert werden. Sollte Deutschland das nicht einhalten, drohen Strafzahlungen von fast einer Milliarde Euro.
Warum sind Österreichs Bauern still?
Eigentlich stehen österreichische Bauern in der Frage der Nitratkonzentration vor dem gleichen Problem. Der Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland (WLV) versuchte jahrelang, die Einhaltung des Nitrat-Grenzwertes von 50 Milligramm pro Liter im Grundwasser gesetzlich verankern zu lassen.
In Österreich wurde der WLV ignoriert und musste bis vor den EuGH ziehen – wo er in einem Urteil Anfang Oktober Recht bekam. Nur: Österreichs Bauern protestieren im Gegensatz zu ihren bundesrepublikanischen Pendants nicht, Landwirtschaftsverbände verhalten sich ruhig.
In Österreich befinden sich Landwirtschafts- und Wasserwirtschaftsministerium unter einem Hut. Möglicherweise sorgt auch diese Synergie dafür, dass auf politischer Ebene wenig nach Außen dringt. Fest steht: Laut dem Nitratbericht 2016 werden in zehn Prozent aller Quellen in Österreich die Grenzwerte überschritten. In Deutschland sind gar 30 Prozent betroffen. Das Problem ist also vakant.
Problemkind Niederösterreich
„Bisher hat es von Seiten der österreichischen Landwirtschaft keine wirkliche Reaktion gegeben. Auch auf einen Termin mit dem Landwirtschaftsministerium warten wir nach wie vor“, sagt WLV-Obmann und Nickelsdorfer Bürgermeister Gerhard Zapfl (SPÖ). Insbesondere Regionen in Niederösterreich (vor allem das Marchfeld), dem Burgenland und der Südoststeiermark sind von Grenzwertüberschreitungen betroffen.
Wollen sich Österreichs Bauern überhaupt an die Grenzwerte halten? Zapfl berichtet von positiven Gesprächen mit burgenländischen Bauern über die Bereitschaft weniger Düngemittel einzusetzen. Anders sehe es im Norden aus: „Niederösterreich konzentriert sich auf Aufbereitungsanlagen, die das Nitrat aus dem Wasser filtern.“ Ein Interesse an der Umsetzung des EuGH-Urteils scheint also nicht allerorts gegeben.
Zapfl versteht, dass Einschränkungen unangenehm seien, stell aber klar: „Es geht nicht um Verbote, sondern darum, den Grundwasserschutz zu verstärken und für jene Bauern, die die Grenzwerte einhalten, Förderungen zu erwirken.“ Das werde künftig auch beim Thema „Pestizide“ relevant.
Piffe und Buhrufe für Ministerin
Während in Österreich nur ein Ministerium für Trinkwasser zuständig ist, fällt das in Deutschland gleich auf zwei: Umwelt, weil es um Grundwasserrichtlinien geht und Landwirtschaft, das für den Einsatz von Dünger verantwortlich ist. Und genau deren Ministerinnen – Svenja Schulze (SPD) und Julia Klöckner (CDU) – haben den Ärger der Bauern auf sich gezogen.
Schulze, die wie Klöckner zur Demo kam, wolle, dass die Bauern „Teil der Lösung“ sind und sie ebenfalls ein Interesse an sauberem Wasser und Bestäuber haben. Doch diese hatten wenig für die Ministerin übrig, einige drehten ihr den Rücken zu, es gab Pfiffe und Buhrufe. Auch Klöckner hatte es schwer, als sie auf der Bühne versuchte, mit den Menschen zu diskutieren. Sie sprach sich für mehr Verständnis für Bauern aus, gleichzeitig verteidigte sie die Umweltregelungen - wo zu viel Nitrat im Grundwasser gemessen wird, „müssen wir reagieren“. Sie kündigte für kommenden Montag ein Treffen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel an, wo auch 40 landwirtschaftliche Organisationen eingeladen werden.
Ob diese dann erneut mit den Traktoren anrollen? Die Polizei zählte gestern 8600 Stück in der Hauptstadt. Die Veranstalter sprachen von 40.000 Teilnehmern. Darunter auch ein paar, die die Anliegen der Bauern für ihre politische Linie benutzten. Auffällig: Nicht nur auf der Demo selbst, sondern auch im Internet wurde der Bauernaufstand eifrig von rechten Aktivisten unterstützt. Vor allem auf der Nachrichtenplattform Telegram wurden und werden Videos und Fotos der Demonstration in einschlägigen Gruppen geteilt.
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