Deutsche Waffen, die bis nach Moskau reichen: Ist das Abschreckung – oder Provokation?

Deutsche Waffen, die bis nach Moskau reichen: Ist das Abschreckung – oder Provokation?
In Deutschland kocht eine Debatte über Scholz‘ Entscheidung hoch, erstmals seit 1992 solche Waffen aus den USA zuzulassen. In der SPD fürchten manche, Deutschland mache sich so zu Putins nächstem Ziel.

Eigentlich ist die Ankündigung, dass Deutschland ab 2026 US-Waffen mit einer Reichweite bis nach Moskau bekommen soll, nicht neu. Verkündet hat sie Kanzler Olaf Scholz  vor ein paar Wochen am Rande des NATO-Gipfels. Jetzt aber regt sich Widerstand, vor allem aus seiner eigenen Partei: Da ist plötzlich die Rede davon, dass Deutschland dadurch „Ziel eines atomaren Erstschlags werden kann“.

Was ist da los? 

Wie in den 1980ern?

Die Angst davor, Russland durch Waffen zu provozieren, ist nicht neu. Schon Anfang der 1980er gingen Tausende auf die Straße, weil die NATO knapp 200 mit Atomsprengköpfen bestückte Mittelstreckenraketen in Deutschland stationieren wollte. SPD-Kanzler Helmut Schmidt setzte das durch, wurde aber danach durch ein Misstrauensvotum aus dem Amt gefegt.

Manche Kritiker fühlen sich nun an damals erinnert. Linkspartei und Bündnis Sahra Wagenknecht ohnehin; beide Parteien sind für komplette Abrüstung, aber auch Parteigranden wie Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans, der sich vor einer „unbeabsichtigten militärischen Eskalation“ sorgt. Gewichtiger sind aber die Worte von Fraktionschef Rolf Mützenich, der eigentlich ein Scholz-Loyalist ist – er war derjenige, der einen Erstschlag auf Deutschland zukommen sah.

Erstmals seit 1992

Experten sind da deutlich zurückhaltender. Die Waffen, die 2026 an einem noch undefinierten Ort stationiert werden sollen, sind hauptsächlich Marschflugkörper vom Typ Tomahawk. Sie können rein technisch auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden, das steht aber nicht zur Debatte. Wichtiger ist ihre Reichweite von mehr als 2000 Kilometern; damit treffen sie Ziele weit hinter Moskau. Dazu Raketen vom Typ SM-6, die der Flugabwehr dienen und eine neue, noch in Entwicklung befindliche Hyperschallrakete.

Seit 1992 waren keine derartigen Waffen mehr auf deutschem Boden. Marschflugkörper, die bis nach Russland reichen, gibt es aber durchaus – etwa den deutschen Taurus oder die britisch-französischen Stormshadows.  Verteidigungsminister Boris Pistorius – auch ein SPDler – sieht in der Stationierung lediglich die  Schließung  einer „Fähigkeitslücke“ – außerdem ist der Plan nicht neu:   Die USA haben 2021 – also noch vor Putins Ukraine-Invasion – eine Taskforce dafür in Wiesbaden installiert.

Deutsche Waffen, die bis nach Moskau reichen: Ist das Abschreckung – oder Provokation?

Antwort auf Raketen in Kaliningrad 

Nur: Ganz ohne Symbolik dürfte die Stationierung doch nicht gewesen sein. Man wolle vor der US-Wahl „Pfeiler einrammen – für den Fall, dass Trump Präsident wird“, vermutete Ex-Bundesheeroberst Wolfgang Richter. 

Und natürlich will man damit abschrecken: „Das ist kein aggressiver Akt unsererseits, sondern eine Reaktion darauf, dass Russland in Kaliningrad schon vor Jahren Iskander-Raketen aufgestellt hat, die mit ihrer Reichweite Deutschland direkt bedrohen“, sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer.

Dieser Umstand wird in der Debatte meist außen vor gelassen: Kurz nachdem Putin seine Panzer nach Kiew rollen ließ, stationierte er in der Ostsee-Exklave neue Hyperschallwaffen vom Typ Kinschal. Auch sie können nuklear bestückt werden und Ziele in mehr als 2000 Kilometern Entfernung treffen – Berlin ist von Kaliningrad aber nur 540 Kilometer entfernt.

Kommentare