Wie in den 1980ern?
Die Angst davor, Russland durch Waffen zu provozieren, ist nicht neu. Schon Anfang der 1980er gingen Tausende auf die Straße, weil die NATO knapp 200 mit Atomsprengköpfen bestückte Mittelstreckenraketen in Deutschland stationieren wollte. SPD-Kanzler Helmut Schmidt setzte das durch, wurde aber danach durch ein Misstrauensvotum aus dem Amt gefegt.
Manche Kritiker fühlen sich nun an damals erinnert. Linkspartei und Bündnis Sahra Wagenknecht ohnehin; beide Parteien sind für komplette Abrüstung, aber auch Parteigranden wie Ex-Parteichef Norbert Walter-Borjans, der sich vor einer „unbeabsichtigten militärischen Eskalation“ sorgt. Gewichtiger sind aber die Worte von Fraktionschef Rolf Mützenich, der eigentlich ein Scholz-Loyalist ist – er war derjenige, der einen Erstschlag auf Deutschland zukommen sah.
Erstmals seit 1992
Experten sind da deutlich zurückhaltender. Die Waffen, die 2026 an einem noch undefinierten Ort stationiert werden sollen, sind hauptsächlich Marschflugkörper vom Typ Tomahawk. Sie können rein technisch auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden, das steht aber nicht zur Debatte. Wichtiger ist ihre Reichweite von mehr als 2000 Kilometern; damit treffen sie Ziele weit hinter Moskau. Dazu Raketen vom Typ SM-6, die der Flugabwehr dienen und eine neue, noch in Entwicklung befindliche Hyperschallrakete.
Seit 1992 waren keine derartigen Waffen mehr auf deutschem Boden. Marschflugkörper, die bis nach Russland reichen, gibt es aber durchaus – etwa den deutschen Taurus oder die britisch-französischen Stormshadows. Verteidigungsminister Boris Pistorius – auch ein SPDler – sieht in der Stationierung lediglich die Schließung einer „Fähigkeitslücke“ – außerdem ist der Plan nicht neu: Die USA haben 2021 – also noch vor Putins Ukraine-Invasion – eine Taskforce dafür in Wiesbaden installiert.
Antwort auf Raketen in Kaliningrad
Nur: Ganz ohne Symbolik dürfte die Stationierung doch nicht gewesen sein. Man wolle vor der US-Wahl „Pfeiler einrammen – für den Fall, dass Trump Präsident wird“, vermutete Ex-Bundesheeroberst Wolfgang Richter.
Und natürlich will man damit abschrecken: „Das ist kein aggressiver Akt unsererseits, sondern eine Reaktion darauf, dass Russland in Kaliningrad schon vor Jahren Iskander-Raketen aufgestellt hat, die mit ihrer Reichweite Deutschland direkt bedrohen“, sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer.
Dieser Umstand wird in der Debatte meist außen vor gelassen: Kurz nachdem Putin seine Panzer nach Kiew rollen ließ, stationierte er in der Ostsee-Exklave neue Hyperschallwaffen vom Typ Kinschal. Auch sie können nuklear bestückt werden und Ziele in mehr als 2000 Kilometern Entfernung treffen – Berlin ist von Kaliningrad aber nur 540 Kilometer entfernt.
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