Jetzt telefoniert Trump mit Xi: Wer behält die Kontrolle über Tiktok?

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Die Präsidenten wollen heute den jahrelangen Streit um Tiktok mit einem Verkauf an eine US-Firma beenden. Der Algorithmus bliebe jedoch in chinesischer Hand, was den Deal rechtswidrig machen könnte.

Als die beiden mutmaßlich mächtigsten Männer der Welt am Freitag zum Hörer griffen, hatte der eine seinen Tag gerade begonnen, während der andere kurz davor war, ihn zu beenden. Um 15.00 Uhr europäischer Zeit - neun Uhr morgens in Washington bzw. abends in Peking - sprach US-Präsident Donald Trump zum dritten Mal seit seinem Wahlsieg mit Chinas Machthaber Xi Jinping.

Dabei wollten die beiden Staatschefs offenbar die finalen Eckpunkte einer Reihe von Wirtschaftsdeals abnicken, die ihre Regierungsvertreter zuvor bei mehreren Verhandlungsrunden ausgearbeitet hatten. In deren Zentrum steht der bevorstehende Verkauf des US-Geschäfts von Tiktok.

Wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichten, soll eine Gruppe von US-Großinvestoren gemeinsam ein neues Unternehmen gründen, das dann das operative Geschäft der chinesischen Plattform in den Vereinigten Staaten übernimmt. Zu den Geldgebern gehören offenbar die Risikokapitalfirmen Andreessen Horowitz und Silver Lake sowie der Tech-Konzern Oracle.

Die Details zum neuen Tiktok-Konstrukt

Die US-Partner sollen gemeinsam 80 Prozent der Anteile an der neuen Firma übernehmen, 20 Prozent bleiben in chinesischer Hand, also wohl jener des Tiktok-Mutterkonzerns Bytedance. Besonders brisant: Im Vorstand der neuen Firma soll außerdem ein Mitglied sitzen, das direkt von der US-Regierung bestellt wird. Das hat es so bei einem Privatkonzern in den USA noch nie gegeben.

Der berühmt-berüchtigte Tiktok-Algorithmus, also jene Software, die dafür zuständig ist, welche Inhalte Nutzern angezeigt werden, dürfte damit weiterhin in chinesischer Hand bleiben. Für dessen Entwicklung und zukünftige Updates bleibe weiterhin Bytedance zuständig, heißt es. Die neu gegründete US-Firma soll allerdings eine Lizenz kaufen dürfen, mit der sie den Algorithmus für ihren Betrieb nutzen kann.

Wie sich dieser Plan für die rund 170 Millionen Tiktok-Nutzer in den USA auswirkt, ist noch nicht endgültig klar. Angeblich hat Bytedance bereits eine neue Variante der App entwickelt - sozusagen einen abgespeckten Tiktok-Klon für den US-Markt, der künftig von der neuen Firma betrieben werden soll. Nutzer in den USA müssten diese neue App herunterladen, das "alte" Tiktok wäre nicht mehr verfügbar.

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Monatelang verhandelten Regierungsvertreter Chinas und der USA über einen möglichen Tiktok-Deal - zuletzt am Dienstag in Madrid.

"Wir haben uns sehr darauf konzentriert, sicherzustellen, dass das Abkommen für die Chinesen fair ist und gleichzeitig die nationalen Sicherheitsinteressen der USA vollständig respektiert - und genau das haben wir erreicht", zeigte sich Trumps Handelsbeauftragter Jamieson Greer nach Verhandlungen mit chinesischen Regierungsvertretern in Madrid zufrieden.

Warum der Tiktok-Deal trotzdem gesetzeswidrig sein könnte

Doch eben das ist fraglich. Schließlich hatten zu Jahresbeginn noch beide Parteien im US-Kongress beschlossen, dass Tiktok verboten wird, wenn sein Betrieb nicht an ein US-Unternehmen übergeht. In dem Gesetzestext heißt es, die Plattform sei gerade deshalb eine Gefahr für die nationale Sicherheit, weil die dahinterstehende Technologie - der Algorithmus - in chinesischer Hand ist und damit unter dem Einfluss der chinesischen Regierung steht.

Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass die angepeilte Lösung in den USA rechtswidrig ist. Entscheidend wird sein, wie der Lizenzvertrag aussehen wird, mit dem Bytedance die Nutzungsrechte für den Tiktok-Algorithmus an die neuen US-Eigentümer vergibt. Daraus müsste klar hervorgehen, dass der Algorithmus in den USA völlig von chinesischem Einfluss abgeschirmt ist.

Die Aussagen der Verantwortlichen lassen nicht darauf schließen. So bestätigte US-Finanzminister Scott Bessent am Dienstag, man habe der chinesischen Regierung zugesichert, dass Tiktok weiterhin "chinesische Charakteristiken" aufweisen wird - eine Formulierung, mit der die kommunistische Partei ihre eigene Regierungsform beschreibt. "Sie halten die Funktionsweise der App für ihre Form der 'Soft Power'", so Bessent. "Uns geht es dagegen nur um die nationale Sicherheit."

"Für die Chinesen ist das der bestmögliche Ausgang"

Aus Sicht einiger US-Experten gehen die USA damit als klarer Verlierer aus den Verhandlungen hervor. "Für die Chinesen ist das der bestmögliche Ausgang", meint etwa die ehemalige Spitzenbeamtin Henrietta Levin gegenüber Bloomberg, "weil er mit ihrem Plan übereinstimmt, die Welt zunehmend von Technologie abhängig zu machen, die China weiterhin kontrolliert."

Sie erwartet deshalb starken Widerstand von Vertretern beider Kongressparteien gegen Trumps Deal, da der "allem widerspricht, was nach meinem Verständnis des Gesetzes erforderlich wäre - nämlich, dass die Kontrolle über die Technologie hinter Tiktok bei US-amerikanischen Unternehmen liegt".

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