"Hass ist im Osten stärker sichtbar"

Bautzen: Hier sollten Asylwerber unterkommen
Empörung und Ratlosigkeit nach Angriffen. AfD gibt Flüchtlingen Mitschuld.

Was ist los in Deutschlands Osten? Fremdenfeindliche Übergriffe, Brandanschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte, ein grölender Mob, der Migranten einschüchtert. Seit die Flüchtlingskrise Europa im Griff hat, zeigt sich eine laute Minderheit in den so genannten "Neuen Bundesländern" oftmals von ihrer fremdenfeindlichen Seite. Trauriger Mittelpunkt ist dabei das Bundesland Sachsen, wie aus Zahlen der Informationsplattform "Mediendienst Integration" hervorgeht. 2015 wurde fast ein Viertel der registrierten Brandanschläge auf Asylunterkünfte in Sachsen verübt. Leipzigs Polizeipräsident sprach bereits von "Pogromstimmung".

Die jüngsten Vorfälle: Am Donnerstag hatte eine wütende Menschenmenge in Clausnitz gegen die Ankunft eines Flüchtlingsbusses protestiert. Auch die Polizei steht in der Kritik. Beamte zerrten dabei einzelne Flüchtlinge aus dem Bus - auf einem Videoclip im Internet sind verängstigte Flüchtlinge in dem Fahrzeug zu sehen, ein Polizist zieht einen Buben mit Gewalt heraus.

Die Chefin der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry, hat nach Clausnitz sogar den Flüchtlingen selbst eine Mitschuld gegeben. Eine Gruppe habe demonstriert und "Wir sind das Volk" skandiert; "Daraufhin gab es im Bus Protest. Es gab wohl auch sehr unschöne Äußerungen der ankommenden Flüchtlinge, Stinkefinger und diverse Anschuldigungen." Zugleich distanzierte sich Petry von den Demonstranten: „Man fragt sich, was Leute dazu treibt, in dieser Weise auf die Straße zu gehen.“ Der Bus hatte eine Asylunterkunft als Ziel, dessen Leiter, Thomas Hetze, den Medien bereitwillig über seine AfD-Mitgliedschaft berichtete. Am Montag wurde bekannt, dass Hetze eine andere Stelle bekommen soll - zu seinem eigenen Schutz.

In der Nacht auf Sonntag quittierten dann betrunkene Gaffer in Bautzen einen vermutlich gelegten Brand in einem noch leeren Flüchtlingsheim mit Beifall und abfälligen Bemerkungen. Zudem behinderten sie die Feuerwehr bei ihren Löscharbeiten.

Der ehemalige deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Thierse meint zu wissen, wieso solche Vorfälle besonders häufig im Osten des Landes vorkommen. Die Menschen dort seien als "empfänglicher für menschenfeindliche Botschaften". "Hass und Gewalt sind im Osten stärker sichtbar und hörbar", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dies erkläre er sich mit den "radikalen Umbrüchen der vergangenen Jahre. Wer in den vergangenen 25 Jahren so viele Veränderungen überstehen musste, ist offensichtlich weniger gefestigt in seinen demokratischen und moralischen Überzeugungen", sagte Thierse.

"Tage der Schande"

Betroffenheit und Empörung sind nach den Vorkommnissen groß. Der CDU-Landtagsabgeordnete Marko Schiemann spricht von den "Tagen der Schande". Der Vorstand der Christdemokraten verurteilt die Taten als verbrecherisch. "Das sind keine besorgten Bürger, sondern schlichtweg Verbrecher", erklärte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Justizminister Heiko Maas twitterte: "Wer unverhohlen Beifall klatscht, wenn Häuser brennen, und wer Flüchtlinge zu Tode ängstigt, handelt abscheulich und widerlich." Die Linke forderte eine Regierungserklärung Angela Merkels: "Die Kanzlerin muss nächste Woche eine Regierungserklärung abgeben, wie die Bundesregierung den rassistischen Mob stoppen, Flüchtlinge schützen und soziale Offensive für alle im Land beginnen will", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch dem Tagesspiegel. Innenminister Thomas de Maizire verurteilte zwar die fremdenfeindliche Vorfälle, doch er nahm auch die Polizei in Schutz. "Ich kann Kritik an diesem Polizeieinsatz nicht erkennen", sagte er in der ARD.

Auch das Kanzleramt nahm Stellung: Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, es sei kaltherzig, ankommende Flüchtlinge, darunter viele Frauen und Kinder, grölend und pöbelnd anzufeinden. Für die ganze schwarz-rote Bundesregierung gelte: "Unser Land ist anders. Unser Land weiß, dass es im Kern um Menschen in Not geht. Sie behandeln wir mit Anstand und Mitgefühl." Seibert mahnte: "Wer so etwa wie Clausnitz gutheißt, muss eine ganz klare Antwort von allen staatlichen Kräften (...) bekommen."

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