Polizei verteidigt Einsatz vor Asylheim in Sachsen
Nach ihrem umstrittenen Einsatz bei fremdenfeindlichen Protesten vor einer Asylbewerberunterkunft hat die sächsische Polizei mehreren Flüchtlingen eine Mitschuld für die Eskalation gegeben. Sie hätten in Clausnitz aus dem Bus heraus gefilmt und mit Gesten wie dem Stinkefinger die davorstehenden Demonstranten provoziert, sagte der Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann am Samstag.
Deswegen seien drei Flüchtlinge von der Polizei gewaltsam aus dem Bus geholt worden. Dies sei "absolut notwendig und verhältnismäßig" gewesen, betonte Reißmann. Zugleich räumte er ein, dass die Polizei am Donnerstagabend Probleme hatte, der Situation in dem kleinen Erzgebirgsort Herr zu werden.
An dem Abend hatte sich ein fremdenfeindlicher Mob - zeitweise bis zu 100 Menschen - vor dem Flüchtlingsheim versammelt und versucht, die Ankunft der Asylbewerber mit einer Blockade zu verhindern. Anfangs war dabei nur eine Polizeistreife vor Ort.
Gelächter für Platzverweis
"Aus heutiger Sicht war das eine Fehleinschätzung", sagte Reißmann. Ein Beamter habe den Demonstranten einen Platzverweis samt Konsequenzen angedroht und dafür nur Gelächter geerntet. Für eine Räumung habe "die Kraft gefehlt", sagte der Polizeipräsident. Es seien nämlich weniger als 20 Polizisten an Ort und Stelle gewesen.
Nach der Polizeiführung verteidigte am Samstagabend auch die Polizeigewerkschaft das umstrittene Vorgehen der Beamten am Freitag. "Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die Kollegen richtig gehandelt haben", sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Rainer Wendt am Samstag der Huffington Post. Es habe Gefahr für Leib und Leben der Flüchtlinge bestanden, weshalb eine Räumung des Busses alternativlos gewesen sei.
Der Bursche, der von den Polizisten aus dem Bus gezerrt worden sei, habe zuvor die herumstehende Menge massiv provoziert. "Er hat den rechten Demonstranten vor dem Fahrzeug mehrfach den Stinkefinger gezeigt und zudem mit seiner Hand am Hals das Kopf-ab-Zeichen gemacht", sagte Wendt. Der Beamte habe um die Sicherheit aller Flüchtlinge und der Polizisten gefürchtet.
Gewalt gegen Flüchtlinge
Seit dem Einsatz sorgen Videoclips im Internet für Empörung. Zu sehen sind verängstigte Flüchtlinge in dem Bus, ein Polizist zerrt einen Buben rabiat aus dem Fahrzeug. Dies sei zum Schutz des Buben erfolgt und abgesprochen gewesen, erklärte Reißmann. Es sei davon auszugehen gewesen, dass er in dem Gebäude sicherer sei als im Bus. Aus der Erfahrung früherer Einsätze habe man damit rechnen müssen, dass die Demonstranten Steine oder Böller auf den Bus werfen.
Das ZDF berichtete, der Leiter der Unterkunft gehöre der rechtspopulistischen AfD an. Auf Anrufe und Rückrufbitten der dpa reagierte der Mann nicht. Die AfD weist ihn im Internet aber als Mitorganisator von Parteiveranstaltungen aus. Nach Angaben Reißmanns hatte der Bürgermeister des Ortes die Einwohner über die Ankunft der Flüchtlinge informiert.
Doch augenscheinlich aus Angst vor den Protesten und der chaotischen Situation hatten die 20 Flüchtlinge den Bus zunächst nicht verlassen wollen. Sie berichteten der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, dass die Polizei auch einer Frau die Arme auf den Rücken gedreht und sie zwangsweise aus dem Bus geholt habe.
Der Bursche aus dem Internetvideo ist nach eigenen Angaben 14 Jahre alt und stammt aus Tripoli im Libanon. Er ist mit seinem Bruder und seinem Vater seit drei Monaten in Deutschland und war zunächst in Dresden untergebracht, wie er der dpa sagte. Der Bruder ist auf dem Video zu sehen, wie er freiwillig, aber weinend den Bus verlässt.
Der sächsische Grünen-Landesvorsitzende Jürgen Kasek sagte mit Blick auf die Vorfälle: "Das sind keine Bilder, die wir hier in Deutschland sehen wollen. Das, was am Donnerstagabend passiert ist, darf nie normal werden." Linke-Landtagsfraktionschef Rico Gebhardt betonte: "Menschen, die Busse blockieren, die hilflose Kinder, Frauen und Männer zusammenschreien, kann ich nur als Rassisten bezeichnen."
Grünen-Bundeschef Cem Özdemir forderte, den leitenden Polizeibeamten des Einsatzes zu suspendieren. Er sei seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Polizeipräsident Reißmann sagte dagegen, er sehe keinen Anlass für Konsequenzen. Die Grünen wollen den Polizeieinsatz am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags thematisieren.
Derzeit 14 Anzeigen
Derzeit geht die Polizei 14 Anzeigen etwa wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht oder Nötigung nach. Reißmann rechnete damit, dass es noch mehr werden. Auch schloss er Ermittlungen gegen einzelne Flüchtlinge nicht aus. Für Samstagabend war in Clausnitz eine Solidaritätskundgebung für die Flüchtlinge geplant.
Solidaritätskundgebung am Samstagabend
Am Samstagabend versammelten sich rund 100 Menschen in Clausnitz zu einer Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge. Sie wollten damit ein Zeichen gegen Gewalt und Rassismus setze.
Auf Transparenten forderten die Demonstranten eine sichere und menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Nach Angaben der Polizei verlief die Demonstration friedlich. "Es gibt keinerlei Störungen", sagte ein Polizeisprecher in Chemnitz.
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