Terrorspur nach Wien: Polizei startet Großeinsatz

Salah Abdeslam stand unter Beobachtung der Kriminalpolizei und geriet in eine Kontrolle.

Der 26-jährige Salah Abdeslam ist international zur Fahndung ausgeschrieben. Der Franzose ist der Bruder des Selbstmordattentäters Brahim Abdeslam. Er soll den VW Polo gemietet haben, mit dem die Attentäter zur Pariser Konzerthalle "Bataclan" fuhren, wo sie fast 90 Menschen töteten. Salah Abdeslam war es gelungen, am frühen Samstagmorgen aus Frankreich auszureisen.

Terrorspur nach Wien: Polizei startet Großeinsatz
This handout picture released on November 17, 2015 by the Belgian police and used for a global research warrant shows a picture Salah Abdeslam, 26, suspected of being involved in the attacks that occured on November 13, 2015 in Paris. Islamic State jihadists claimed a series of coordinated attacks by gunmen and suicide bombers in Paris on November 13 that killed at least 129 people in scenes of carnage at a concert hall, restaurants and the national stadium. AFP PHOTO / HO / FEDERAL POLICE OF BELGIUM -- RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / HO / FEDERAL POLICE OF BELGIUM / POLICE FEDERALE BELGE" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS --

Terrorzelle

Der Verdächtige soll in Verbindung mit dem belgischen Islamisten Abdelhamid Abaaoud gestanden sein. Der 27-Jährige aus Molenbeek gilt als Kopf der Gruppe. Er soll inzwischen wieder für den IS in Syrien kämpfen.

In den Abendstunden des Freitag, 9. September, reiste Abdeslam mit zwei Begleitern über den Grenzübergang Suben ein und geriet an der Raststation Aistersheim in eine routinemäßige Verkehrskontrolle der Autobahnpolizei Wels.

Abdeslam war mit einem belgischen Mietauto unterwegs. Für die Beamten war es mit der Routine rasch vorbei, als sie feststellten, dass der Name des Lenkers im Schengener Informationssystem (SIS) aufschien. Eingetragen war er von der belgischen Kriminalpolizei. Der Grund der Eintragung ist aus dem SIS nicht erkennbar. Derartige Eintragungen im SIS deuten aber darauf hin, dass die betroffene Person verdächtigt wird, an "außergewöhnlich schweren Straftaten" teilzunehmen. Damit ist auch die Aufforderung verbunden, die Bewegungen dieser Personen zu melden. Mit anderen Worten: Abdeslam wurde von der belgischen Kriminalpolizei europaweit überwacht.

Gemeinsam in Haft

Die Behörden gehen davon aus, dass Abdeslam wegen einer herkömmlich kriminellen Verdachtslage beobachtet wurde. Ein politischer Hintergrund war nicht erkennbar. Abdeslam und seine Begleiter gaben an, dass sie eine Woche in Wien Urlaub machen wollten. Die österreichischen Beamten ließen sie weiterfahren und erstatteten einen SIS-Bericht an die belgischen Behörden.

Die französischen Behörden wollen jetzt alle Details der Reise wissen. Denn es ist aufgrund der langen Vorlaufzeit für die Anschlagsplanungen davon auszugehen, dass auch diese Reise bereits dem Attentat diente. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sagte, die französischen Behörden hätten über einen internationalen Haftbefehl um eine Mitfahndung nach Tätern gebeten. Hauptsächlich muss die Frage geklärt werden, ob es auch in Wien eventuelle Komplizen gibt.

Jetzt gilt es, ein Bewegungsprofil der drei "Urlauber" zu erstellen. Handydaten können die Fahnder dabei vergessen. Denn die sogenannte "Vorratsdatenspeicherung" war damals bereits außer Betrieb. In mühevoller Kleinarbeit muss nach eventuellen Unterkünften geforscht werden. Die einschlägigen Moscheen werden abgeklappert. Vielleicht haben die Verdächtigen auch an Tankstellen oder bei Banken elektronische Spuren hinterlassen.

Festnahmen in Aachen

Die Spur des verheerenden Terrors von Paris führt auch nach Deutschland: Die Polizei hat in Alsdorf bei Aachen fünf Verdächtige gefasst. Spezialeinsatzkräfte mit Sturmmasken sperrten die Straßen und nahmen die Verdächtigen vor einem Jobcenter fest.

Am vierten Tag nach der Anschlagsserie gab es in Frankreich und Belgien wieder zahlreiche Razzien. In Paris wurde zudem ein Auto sichergestellt, das bei der Vorbereitung der Attentate genutzt wurde: Der schwarze Renault Clio, der einen Großeinsatz am Platz Albert Kahn im 18. Arrondissement auslöste, war ebenfalls von Salah Abdeslam gemietet worden.

IS-Bekennerbotschaft

Gestern, Dienstag, wurde auch bekannt, dass ein französischer Dschihadist namens Fabien Clain die Bekennerbotschaft des IS zu den Anschlägen aufgenommen hat. Der 35-Jährige, der ein Mitglied der radikalen islamistischen Szene in Toulouse war, wurde als Sprecher der Audiobotschaft identifiziert. Die IS-Terrormiliz hatte sich zu den Anschlägen bekannt, bei denen am Freitagabend in Paris mindestens 129 Menschen getötet wurden. In Toulouse hatte Clain dem radikalen Islamisten Mohamed Merah nahegestanden, der 2012 drei Soldaten, einen Lehrer und drei Schüler einer jüdischen Schule erschoss.

Nach Angaben der israelischen Tageszeitung Haaretz sollen die französischen Geheimdienste bereits seit Langem mit großer Gewissheit davon ausgegangen sein, dass ein verheerender Terroranschlag in Paris droht. Doch die Geheimdienste hätten sich fatal im Datum geirrt. Man hatte befürchtet, die Terroristen würden beim Klimagipfel zuschlagen. Der beginnt Ende November in Paris, Dutzende Staats- und Regierungschefs werden anwesend sein.

Der Live-Ticker zum Nachlesen

Das hat es in der EU noch nicht gegeben: Frankreich aktiviert wegen der Terrorangriffe von Paris als erstes Land die Beistandspflicht der EU-Partner. Diese Hilfe im Falle von Terrorattacken oder auch schweren Naturkatastrophen ist im Vertrag von Lissabon verankert. Die Beistandspflicht der EU nach Artikel 42.7 ist aber nicht so robust wie der Artikel 5 im NATO-Vertrag.

Die für Außen- und Sicherheitspolitik zuständige Hohe Beauftragte, Federica Mogherini, hat am Dienstag Frankreich sofort die Unterstützung aller anderen 27 Mitgliedsländer zugesichert. Für neutrale Länder wie Österreich und Irland sowie Finnland und Schweden (beide bezeichnen sich als allianzfrei) gibt es eine Ausnahme im Lissabon-Vertrag. Sie können nicht verpflichtet werden, Beistand zu leisten. Es bleibt ihnen aber überlassen, sich dennoch einzubringen.

Das hat auch Verteidigungsminister Gerald Klug gestern angekündigt: Österreich garantiere Frankreich „volle Solidarität im Rahmen seiner Möglichkeiten“. Was das konkret heißt, ist noch offen, weil die Regierung in Paris jetzt bilateral verhandelt, was sie dringend braucht.

Entlastung Bekannt ist mittlerweile, dass Frankreich keine direkte militärische oder zivile Hilfe im Land benötigt, sondern Entlastung bei seinen Auslandseinsätzen. Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian erwartet „militärische Unterstützung für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien und Irak“. Möglich sei aber auch eine Entlastung der französischen Truppen in Afrika, wo sie vor allem in Mali besonders engagiert sind. Auch hier kämpft eine UN-geführte Mission gegen Terroristen.

Auch Österreich hat in Mali bereits Soldaten stationiert, acht Ausbildner in einer Trainingsmission. Im Jänner sollen zehn Stabsoffiziere und fünf Berater in den Norden Malis entsandt werden. Ein gutes Dutzend österreichischer Soldaten ist in anderen afrikanischen Ländern stationiert.

Die Familie von Daniel B. hoffte am Dienstag nur eines: Dass der 21-Jährige, der am vergangenen Freitag bei dem Terrorangriff auf die Pariser Konzerthalle Bataclan angeschossen wurde, heimkehren kann. „Es ist sehr wichtig für ihn, dass er nach Tirol zurückkommt“, sagte der Mediziner Hermann Köhle, der die Angehörigen als Freund der Familie in Paris unterstützt, am Dienstag. Zu Mittag hob dann ein Jet der Tyrolean Air Ambulance mit der Mutter von Daniel B., die bislang zu Hause ausgeharrt hatte, an Bord vom Innsbrucker Flughafen Richtung Paris ab. Am Abend traf der junge Mann in der Klinik ein.

"Er ist vollkommen stabil, wach und ansprechbar", hieß es seitens der Klinik. In den kommenden 24 Stunden sollen ausführliche Untersuchungen folgen. Diese seien für die weitere Behandlungsstrategie ausschlaggebend.

Die behandelnden Ärzte hatten Daniel B. für flugtauglich erklärt. Der Rücktransport war für Dienstagabend geplant. Freundin und Familie sollten ebenfalls mit der Maschine heimkehren. An der Innsbrucker Uni-Klinik soll der 21-Jährige sich dann von seinem Bauchschuss und dem Trauma der Geiselnahme erholen.

Der Tiroler war bei dem Blutbad in der Konzerthalle Bataclan von seiner Freundin Alexandra, die unverletzt blieb, getrennt worden. 24 Stunden lang war Daniel B. verschollen. 24 Stunden lang mussten seine Angehörigen auf die erlösende Nachricht aus einem Spital warten, dass er lebt.

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