Israelische Geheimfirma soll weltweit Wahlen manipulieren

Israelische Geheimfirma soll weltweit Wahlen manipulieren
Einer internationalen Recherche zufolge steuert ein israelisches Unternehmen Fake-News-Aktionen und hackt hochrangige Politiker, um Wahlen zu beeinflussen.

"Diese Israelis destabilisieren Demokratie und manipulieren Wahlen weltweit", titelt die kritische israelische Tageszeitung Haaretz am Mittwochmorgen. Eine bisher unbekannte Firma, ansässig in der Kleinstadt Modi'in zwischen Jerusalem und Tel Aviv, soll offenbar Wahlen und Abstimmungen in aller Welt attackieren und manipulieren. Das geht aus einer sechsmonatigen Recherche eines internationalen Rechercheteams hervor, dem unter anderem der deutsche Spiegel, die Zeit, ZDF, der Guardian, die Washington Post, Le Monde und die österreichische Tageszeitung Standard angehören.

Das geheim agierende Unternehmen aus Israel, das sich selbst "Team Jorge" nennt, greift nach eigenen Angaben Politiker mit Hacking-Werkzeugen an und fährt groß angelegte Desinformations- und Lügenkampagnen für seine Auftraggeber. Ziel ist es, den Ausgang von Wahlen und Abstimmungen zu beeinflussen. Die früheren Agenten und Militärs werden offenkundig für Kunden aus Wirtschaft und Politik tätig, die bereit sind, viel Geld für diese Dienste auszugeben: Für seine Dienstleistungen fordert die Firma zwischen 400.000 und 600.000 Dollar im Monat. 

Von Spanien über Kanada bis nach Kenia

Die israelische Tageszeitung Haaretz nennt konkrete Beispiele: So behauptet "Team Jorge", für einen berüchtigten Cyberangriff verantwortlich zu sein, mit dem das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens im Jahr 2014 sabotiert werden sollte. Auch bei der Verhaftung des kanadischen Modemagnaten Peter Nygård wegen angeblicher Sexualverbrechen soll die Firma mitgewirkt haben. 2015 soll sie die Telefone der Oppositionspartei in Nigeria im Rahmen eines Wahlkampfes ausgeschaltet und der Regierung sensible Informationen über die Opposition zugespielt haben; dabei soll mit der berüchtigten britischen Beratungsfirma Cambridge Analytica zusammenarbeitet worden sein.

Bei den Wahlen in Kenia im Vorjahr soll "Team Jorge" die Telegram-Konten von fünf hochrangigen Mitgliedern von William Rutos Kampagne gehackt haben. Ruto gewann die Wahl und ist nun Präsident. Zwei der Wahlkampfmitarbeiter, deren Konten kompromittiert wurden, werden nun beschuldigt, den Wahlausschuss gehackt zu haben, um die Wahl zu "stehlen".

Nur Israel, USA und Russland bleiben "verschont"

Eingegriffen hat "Team Jorge" nach eigenen Angaben bislang in 33 nationale Wahlkämpfe und Abstimmungen. In 27 Fällen wollen die Manipulatoren erfolgreich gewesen sein. Es gelang ihnen wohl, den Ausgang der Wahlen im Sinne ihrer Kunden zu gestalten, so der Standard.

Für "Team Jorge" gibt es nach eigener Darstellung nur drei Regeln: Sie lehnen Aktionen in Israel ab, wollen sich ebensowenig in US-Regierungspolitik einmischen und nichts gegen Putins Russland unternehmen.

Die Gruppierung dürfte verschiedene Werkzeuge für Beeinflussung verwenden: Sie soll eine eine Armee von offenbar mehr als 30.000 glaubwürdig anmutenden Fake-Konten auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter besitzen, um die Meinung im Netz zu beeinflussen. Neben Fake-News-Kampagnen gehören auch Hacking-Angriffe, Finanzrecherchen über Gegner, gezielte Schmutzkampagnen und das Verbreiten gestohlener Informationen zum "Repertoire". Israel gilt als eines der Länder mit den besten Cyberkapazitäten. 

Chef soll Ex-Militär sein

Der Chef der Firma soll unter dem Tarnnamen Jorge auftreten. Tatsächlich soll  es sich um den israelischen Geschäftsmann und Ex-Militär Tal Hanan handeln. Er steuert seine Firma aus einem Bürogebäude in einem Gewerbegebiet am Rande von Modi'in. Auch in Ländern wie Griechenland, Bosnien, in Indonesien und in der Ukraine sei man zeitweise präsent, so Hanan in den Verkaufsgesprächen mit den als Interessenten getarnten Reportern. Auf Anfrage wies er später jegliches Fehlverhalten zurück.

Das Team rekrutiert sich laut Eigenwerbung aus ehemaligen Agenten, Soldaten und Ex-Mitgliedern von Spezialeinheiten. In internen Dokumenten heißt es, die Firma biete "Spezialoperationen" an, man sei seit 1999 im Geschäft. Die Recherchen ergaben mehrere Verbindungen zu Geheimdiensten.

An den Guardian geleakte Dokumente zeigen, dass das Unternehmen über mehrere Jahre auch mit der Skandalfirma Cambridge Analytica im Austausch stand. In Nigeria waren wie beschrieben beide Firmen im Präsidentschaftswahlkampf 2015 aktiv

Im Jahr darauf bot Tal Hanan dem damaligen Cambridge-Analytica-Chef Alexander Nix Unterstützung im Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump an, was Nix allerdings ablehnte. 2017 versuchte Hanan alias Jorge offenbar, bei Wahlen in Kenia mit Cambridge Analytica ins Geschäft zu kommen. Auch daraus wurde nichts, die von Hanan demnach verlangten "400.000 bis 600.000 Dollar" pro Monat waren Nix zu viel. Auf Anfrage wollte sich Nix nicht äußern.

Cambridge Analytica geriet schließlich wegen seiner Rolle als digitaler Wahlkampfhelfer Donald Trumps weltweit in die Schlagzeilen. Ihr Missbrauch von Abermillionen Facebook-Kundendaten stürzte das soziale Netzwerk in eine nachhaltige Krise. Cambridge Analytica musste Insolvenz anmelden und wurde aufgelöst.

Team Jorge schweigt

Der israelischen Zeitung Haaretz zufolge weigerte sich das "Team Jorge", Fragen zu beantworten und bestritt "jegliches Fehlverhalten". Man habe das ganzes Leben lang im Einklang mit dem Gesetz gearbeitet, so die Antwort. Einzelne Beschuldigte, mit denen Reporter persönlich während der Recherche gesprochen hatten, behaupteten, noch nie mit einem Unternehmen oder einer Einrichtung namens "Team Jorge" zu tun gehabt zu haben.

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