Taliban sollen über 100 Ex-Regierungsmitarbeiter getötet haben

Taliban-Kämpfer in Kabul
UNO beklagt Morde, verschwundene Menschen und massive Menschenrechtsverstöße durch die afghanischen Machthaber.

Seit ihrer Machtübernahme im August haben die radikalislamischen Taliban laut einem UN-Bericht wahrscheinlich mehr als hundert ehemalige afghanische Regierungsmitarbeiter und Ortskräfte internationaler Stellen getötet. Ungeachtet der verkündeten Generalamnestie gebe es "glaubwürdige Anschuldigungen über Tötungen" sowie "gewaltsames Verschwindenlassen", heißt es in einer Vorabversion des Berichts, den die Nachrichtenagentur AFP einsehen konnte.

Bei mehr als zwei Dritteln der Tötungen handelte es sich demnach um "außergerichtliche Tötungen, die von den De-facto-Behörden oder ihren Verbündeten begangen wurden". Mit "De-facto-Behörden" umschreibt die internationale Gemeinschaft die derzeit von keinem Land der Welt anerkannte Taliban-Regierung in Kabul.

Die Taliban wiesen die Vorwürfe am Montag zurück. "Das Islamische Emirat hat seit Verkündung der Amnestie niemanden getötet", erklärte das Innenministerium im Onlinedienst Twitter. Bei den gemeldeten Tötungen handle es sich um Folgen "persönlicher Feindschaften". Die Fälle würden untersucht.

"Angriffe und Misshandlungen"

Über die politisch motivierten Tötungen hinaus prangert der UN-Bericht auch weitere massive Menschenrechtsverletzungen durch die Machthaber in Afghanistan an. So seien etwa Menschenrechtsaktivisten und Medienschaffende laut glaubwürdigen Berichten "weiterhin Angriffen, Einschüchterungen, Schikanen, willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen und Tötungen ausgesetzt".

Friedliche Proteste würden von den Taliban verhindert, der Zugang zu Arbeit und Bildung für Frauen und Mädchen sei seit der Machtübernahme der Taliban massiv beschnitten. "Ein komplettes soziales und ökonomisches System wird stillgelegt", beklagte UN-Chef Guterres.

Seit ihrer Rückkehr an die Macht geben sich die radikalislamischen Taliban nach außen moderater als während ihrer brutalen ersten Herrschaft von 1996 bis 2001. International bestehen aber erhebliche Zweifel an der Zusage der Taliban, die Menschenrechte zu schützen. Unter anderem ehemalige Ortskräfte der US-Armee, Bundeswehr und anderer internationaler Truppen oder unabhängiger Organisationen fürchten seit der Machtübernahme der Taliban um ihre Sicherheit.

Zu der prekären Sicherheitslage in Afghanistan hinzu kommt eine schwere humanitäre Krise, die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans ist nach UN-Angaben von Ernährungsunsicherheit bedroht. Hintergrund der Krise sind gravierende Ernteausfälle als Folge einer langen Dürre. Hinzu kommt die grassierende Armut seit der Machtübernahme der Taliban. Die meisten bei der öffentlichen Verwaltung angestellten Afghanen wurden seit Monaten nicht mehr bezahlt.

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