Taliban-Regierung: Wenn auf den Innenminister Kopfgeld ausgesetzt ist

Taliban-Regierung: Wenn auf den Innenminister Kopfgeld ausgesetzt ist
Länder wie die USA und Deutschland äußern Kritik an der neuen Übergangsregierung in Afghanistan. So mancher Minister hat eine dunkle Vergangenheit.

Die USA haben Besorgnis über die Übergangsregierung der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan ausgedrückt. Auf der Liste der Kabinettsmitglieder stünden "ausschließlich Personen, die Mitglieder der Taliban oder ihrer enger Verbündeter sind, und keine Frauen", erklärte ein Sprecher des Außenministeriums laut Medienberichten vom Dienstag. Auch Deutschland zeigte sich unzufrieden.

Die militant-islamistischen Taliban hatten nach ihrer gewaltsamen Machtübernahme vor rund drei Wochen am Dienstag ihre Übergangsregierung vorgestellt und 33 Kabinettsmitglieder bekanntgegeben.

"Wir haben unsere Erwartung klar geäußert, dass das afghanische Volk eine inklusive Regierung verdient", zitierten die Washington Post und andere Medien den Sprecher des US-Außenministeriums weiter. Zudem gäben die Verbindungen und die Vergangenheit einiger Personen der Übergangsregierung Anlass zur Sorge, hieß es ferner.

So wurde etwa Sirajuddin Haqqani, der dritte Vizechef der Taliban und Chef des berüchtigten Haqqani-Netzwerkes, zum Innenminister ernannt. Das Haqqani-Netzwerk wird für einige der grausamsten Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht. Die USA suchen den etwa Mitte-40-jährigen Haqqani mit einem siebenstelligen Kopfgeld.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas sah dies ähnlich. "Die Verkündung einer Übergangsregierung ohne Beteiligung anderer Gruppen und die gestrige Gewalt gegen Demonstrantinnen und Journalisten in Kabul sind nicht die Signale, die (...) optimistisch stimmen", teilte Maas am Mittwoch vor einem Treffen mit seinem US-Kollegen Antony Blinken und einer Konferenzschaltung mit 20 Außenministern mit. Das Engagement des Westens werde aber vom Verhalten der Taliban abhängen.

Dreifache humanitäre Krise

In Afghanistan droht nach Angaben von Maas eine dreifache humanitäre Krise. In vielen Teilen des Landes herrsche jetzt schon Nahrungsmittelknappheit aufgrund der Dürre. Gleichzeitig seien internationale Hilfszahlungen gestoppt worden, von denen viele Menschen abhängen. "Und wenn eine neue Regierung nicht in der Lage ist, die Staatsgeschäfte am Laufen zu halten, droht nach dem politischen der wirtschaftliche Kollaps - mit noch drastischeren humanitären Folgen", warnte der SPD-Politiker. Das sei auch eine zentrale Sorge der Nachbarstaaten.

Unterdessen kommt es in Afghanistan selbst weiter zu Protesten, trotz der Versuche der militant-islamistischen Taliban, diese teils mit Gewalt zu unterdrücken. Am Mittwoch demonstrierten rund 20 Frauen im Stadtteil Dasht-e-Barchi im Westen der Hauptstadt Kabul, wie auf Videos in sozialen Medien zu sehen war und lokale Journalisten berichteten. Die Frauen riefen "Ein Kabinett ohne Frauen wird versagen" und kritisierten damit die am Dienstag verkündete Übergangsregierung der Taliban, die ein reines Männerkabinett ist.

In Kabul finden den dritten Tag in Folge Proteste statt. Die Demonstrationen richteten sich bisher teils gegen eine mutmaßliche Einmischung Pakistans in Afghanistan, forderten teils mehr Frauenrechte oder kritisierten die gewaltsame Übernahme der Provinz Panjshir durch die Taliban am Montag.

Taliban-Regierung: Wenn auf den Innenminister Kopfgeld ausgesetzt ist

Proteste in Kabul

In den Provinzen Gazni und Ghor verhinderten die Islamisten am Dienstag laut Einwohnern Demonstrationen. In der Stadt Herat im Westen kam es am Dienstag zu gewaltsamen Zusammenstößen. Ein Aktivist aus der Stadt sagte am Mittwoch, es seien mindestens zwei Demonstranten getötet und sieben verwundet worden, nachdem Taliban Schüsse abfeuerten, um die Demonstranten auseinanderzutreiben.

Die größten lokalen TV-Sender haben am Mittwoch offensichtlich die Berichterstattung über die Proteste eingestellt. Am Dienstag hatten Taliban eine Gruppe von Reportern und Kameramännern für mehrere Stunden festgenommen, nachdem sie über den Protest in Kabul berichteten. Auch am Mittwoch kam es offenbar erneut zu Zusammenstößen mit Medienvertretern.

Kommentare