China und die USA machen Druck, doch Taiwan ist politisch gelähmt

Der Auftritt von US-Verteidigungsminister Pete Hegseth beim Shangri-La-Dialog, einer jährlichen Sicherheitskonferenz in Singapur, hallte im gesamten Indopazifik nach. „Die Bedrohung durch China ist real“, warnte der Republikaner und fügte in ungewohnter Deutlichkeit an: „Eine Invasion Taiwans könnte unmittelbar bevorstehen.“ Chinas Volksbefreiungsarmee werde „bis 2027 bereit sein, einzumarschieren“ und trainiere „jeden Tag für dieses Ziel“.

Pete Hegseth warnte in Singapur eindringlich vor einem bevorstehenden Angriffs Chinas auf Taiwan.
Tatsächlich nahmen die Häufigkeit und der Umfang chinesischer Militärübungen in den Gewässern rund um Taiwan im vergangenen Jahr stark zu. Inzwischen führt Chinas Marine regelmäßig gemeinsame Übungen mit der Küstenwache und der sogenannten „maritimen Miliz“ durch, also aufgerüsteten zivilen Schiffen, die im gesamten südchinesischen Meer patrouillieren.
"Das sind keine Übungen mehr. Es sind Proben."
Viele internationale Experten deuten das als Strategiewechsel: China plane nicht mehr eine Invasion, sondern eine Blockade der Insel; eine Art moderne Belagerungstaktik, die man bis zur Kapitulation Taiwans aufrechterhalten könnte.
Im Februar warnte Samuel Paparo, Kommandant der US-Streitkräfte im Indopazifik, bei seinem Bericht an den US-Kongress: „Chinas aggressive Manöver sind keine Übungen mehr. Es sind Proben.“
In Singapur stellte Hegseth klar: „Wir werden nicht zulassen, dass unsere Verbündeten und Partner unterworfen und eingeschüchtert werden.“ Doch forderte er von den US-Verbündeten in der Region – Japan, Südkorea, die Philippinen und Taiwan selbst – ein, dringend mehr Geld für die eigene Verteidigung auszugeben.
Taiwans Präsident Lai will, kann aber nicht
Der Druck auf Taiwan steigt also nicht nur durch China, sondern auch durch den wichtigsten Verbündeten. Das Problem: Eigentlich ist Taiwans Präsident Lai Ching-te ein großer Freund der USA, der den eigenen Streitkräften nur zu gerne mehr Budget zukommen lassen würde. Doch Lai führt die erste Minderheitsregierung der taiwanischen Geschichte an – und die ist aufgrund des Widerstandes der parlamentarischen Opposition in Verteidigungsfragen seit Monaten gelähmt.

Taiwans Präsident Lai Ching-te will das Verteidigungsbudget eigentlich drastisch erhöhen.
Lai ist Chef der demokratischen Fortschrittspartei (DPP), die für eine enge Zusammenarbeit mit den USA und eine Abschreckungspolitik gegenüber China eintritt. Unter der achtjährigen Herrschaft seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen erhöhte Taiwan seine Verteidigungsausgaben schrittweise auf 2,45 Prozent des BIP und verlängerte den Grundwehrdienst von vier Monaten auf ein Jahr.
Letzteres machte die DPP bei betroffenen Jungwählern massiv unpopulär; gerade weil die Angst vor einem Angriff Chinas so groß ist. Während Lai die Präsidentschaftswahl im Jänner 2024 mit 40 Prozent gewann, holte seine Partei bei den gleichzeitig stattfindenden Parlamentswahlen nur 51 der 113 Sitze.
Die konservative Kuomintang (KMT) stellt 54, die erst 2019 gegründete Taiwanische Volkspartei (TPP) acht Abgeordnete. Gemeinsam verfügen sie also über eine Mehrheit, die sie regelmäßig nutzen, um Vorhaben der Lai-Regierung zu blockieren.
Opposition blockiert Verteidigungsbudget
Der vorläufige Höhepunkt dieser Auseinandersetzung fand am 21. Jänner statt, nur Stunden nach der Amtseinführung Donald Trumps in den USA. Da stimmte Taiwans Opposition gesammelt dafür, eine geplante Erhöhung des Verteidigungsbudgets durch Lais Regierung (auf 3 Prozent des BIP) zu blockieren und sogar Teile des bereits beschlossenen Budgets nachträglich einzufrieren.
Die Gründe dafür führen tief in die taiwanische Innenpolitik: Die KMT will aus historischen Gründen keine Unabhängigkeit von China, sondern einen gemeinsamen Staat ohne kommunistische Herrschaft. Sie fürchtet, dass ein zu enges Verhältnis zu den USA das verunmöglichen würde.
Die populistische TPP ist dagegen weniger ideologisch getrieben: Ihr Parteigründer Ko Wen-je sitzt aufgrund von Korruptionsvorwürfen seit vergangenem Herbst in Untersuchungshaft. Seine Anhänger vermuten dahinter politische Verfolgung durch die Lai-Regierung, die Partei rächt sich auf politischem Weg.
In Washington hat man für derlei Grabenkämpfe keine Geduld. Erst im Mai reiste eine Delegation von US-Kongressabgeordneten nach Taipei, um das direkte Gespräch mit Taiwans Opposition zu suchen. Laut Reuters fielen dabei die Worte: „Es geht hier nicht um Parteipolitik, sondern um euer Überleben.“
Denn die Lähmung der Lai-Regierung hat auch China längst wahrgenommen.
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