Assad brüstet sich mit "Befreiung" von Aleppo

Über 3.000 Rebellen hätten den Ost-Teil der syrischen Großstadt verlassen, berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass am Donnerstagnachmittag.

Die Rebellen sind nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums aus ganz Aleppo verdrängt worden. Über 3.000 Rebellen hätten den Ost-Teil der syrischen Großstadt verlassen, berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass am Donnerstagnachmittag. Der syrische Präsident Bashar al-Assad hat die umkämpfte Stadt Aleppo für "befreit" erklärt. Mit der "Befreiung" von Aleppo hätten die syrischen Regierungstruppen "Geschichte geschrieben", sagte Assad in einem am Donnerstag im Internet veröffentlichten Video.

Mehr als 108.000 Zivilisten sind nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums in sichere Bezirke von Aleppo geflüchtet, meldete die russische Nachrichtenagentur RIA.

Assad brüstet sich mit "Befreiung" von Aleppo
A bus is seen in the embattled city of Aleppo during an evacuation operation of rebel fighters and their families from rebel-held areas on December 15, 2016 Russia, Syrian military sources and rebel officials confirmed that a new agreement had been reached after a first evacuation plan collapsed the day before amid fresh fighting. Syrian state television reported that some 4,000 rebels and their families were to be evacuated. / AFP PHOTO / STRINGER

Rebellen nach Idlib?

Zuvor haben rund 20 Busse die vom Regime kontrollierten Gebiete verlassen. Zunächst sollen etwa 200 bis 250 Verletzte aus der Stadt gebracht werden. Nach Angaben des russischen Generalstabs werden im Verlauf des Abzugs rund 5.000 Kämpfer und ihre Angehörigen Ost-Aleppo verlassen. Der dafür eingerichtete Korridor sei 21 Kilometer lang, sagte Generalstabschef Waleri Gerassimow der Agentur Interfax zufolge.

"Als erstes werden die Verwundeten, die Kranken und dann die Aktivisten und Journalisten abtransportiert", sagte Fares al-Shehabi, ein Abgeordneter des syrischen Parlaments. Anschließend würden die "Terroristen" folgen. Mit diesem Begriff bezeichnet das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad alle Aufständischen. Der Politiker sagte weiter, die Aufständischen würden in die südwestlich von Aleppo gelegene Provinz Idlib gebracht. Diese Region steht größtenteils unter Kontrolle der Opposition.

Konvoi unter Beschuss

Zuvor berichtete CNN über einen Beschuss eines Konvois. Eine Person sei dabei getötet, vier weitere verletzt worden. Der Angriff hätte während der ohnehin schon brüchtigen Feuerpause, die in der Nacht auf Donnerstag vereinbart wurde, stattgefunden. Auch die Weißen Helme, eine freiwillige Rettungsorganisation in Syrien, bestätigte auf Twitter einen solchen Vorfall.

https://twitter.com/whitehelmets_sy/status/809317770152280064
Idlib - Whitehelmets (@whitehelmets_sy

Das Aleppo Media Center (AMC), das von Aktivisten betrieben wird, sprach ebenfalls von einem Angriff auf einen Konvoi. Die Aktivisiten machten das syrische Regime dafür verantwortlich.

https://twitter.com/AleppoAMCen/status/809308590657904640
Aleppo Media Center (@AleppoAMCen

Nach Informationen der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Sputnik sollen die verbliebenen "Milizen" nach Idlib gebracht werden, "auf Putins Befehl".

https://twitter.com/SputnikInt/status/809317800573595648
Sputnik (@SputnikInt

Der Fall von Aleppo bedeutet einen schweren Rückschlag für die Rebellen, die den Ostteil der zweitgrößten Stadt Syriens seit 2012 kontrollierten, aber sich mittlerweile nach einer Mitte November gestarteten vernichtenden Offensive des Regimes von Bashar al-Assad auf ein immer kleiner werdendes Gebiet in Ost-Aleppo beschränken.

Iran weist Kritik an Syrien-Politik zurück

Nach den Worten des iranischen Außenamtssprechers Bahram Ghassemi war der Iran schon immer für einen Waffenstillstand sowie humanitäre Hilfe, aber stets gegen ein ausländisches "Komplott" zur Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Syriens. "Dieses Komplott ist nach den jüngsten Entwicklungen in Aleppo gescheitert und dementsprechend sind einige Länder nun auch wütend", sagte Ghassemi der Nachrichtenagentur ANA am Donnerstag. Als Reaktion darauf würden nun Anti-Iran Propaganda und Falschberichte über Teherans Syrien-Politik verbreitet. Der Iran gehört neben Russland zu den wichtigsten Verbündeten des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad.

EU-Gipfel: Aleppo-Hilfe hat Vorrang

Für den EU-Gipfel hat die Hilfe für Zivilisten in der heftig umkämpften syrischen Stadt Aleppo Vorrang, und nicht neue Sanktionen gegen Syrien oder Russland. Dies machte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Donnerstag klar. "Das ist nicht der Moment, um über die Zukunft von Assad zu diskutieren", sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ).

Mogherini sagte, sie habe vor dem Gipfel mit dem iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif telefoniert und an ihn appelliert, Zivilisten zu schützen, nicht nur in Aleppo, sondern auch in anderen Teilen Syriens. "Es ist klar, dass das (syrische) Regime, der Iran und Russland eine Verantwortung haben" für die Situation in Aleppo, sagte Mogherini. In diesem Moment wolle die EU nur das Leben für Zivilisten besser machen. Viele Kinder seien in Aleppo noch eingeschlossen. Die Situation ändere sich auch stündlich, sagte Mogherini.

Auch Kern betonte, Vorrang müsse nun die Hilfe für die Menschen haben, und dann zu einer politischen Lösung zu kommen. "Ich bin total deprimiert über die Lage in Aleppo", sagte Kern. "Das ist wirklich tragisch."

Nach der Einnahme Ost-Aleppos durch syrische Regierungstruppen hält es die Türkei für möglich, bis zu 100.000 Menschen aus der Stadt zu bringen. Das sagte der türkische Vizeregierungschef Veysi Kaynak am Donnerstag während einer Pressekonferenz in Cilvegözü an der syrischen Grenze.

Sollten die Gegner des syrischen Staatschefs Bashar al-Assad einen entsprechenden Wunsch vortragen, würde ein Auffanglager in Syrien eingerichtet, sagte Kaynak. Die 20 Busse, die Menschen vom nordsyrischen Aleppo in die Provinz Idlib brachten, seien an einem "sicheren Ort" unter Kontrolle der Rebellengruppe Freie Syrische Armee eingetroffen.

In der Gruppe befanden sich demnach bis zu 35 zum Teil schwer verletzte Menschen. Die islamische türkische Hilfsorganisation IHH erklärte, sie habe in Aleppos Gebiet Rashid an dort Eintreffende Nahrungsmittel und Kleidung verteilt.

Aus Kreisen der syrischen Armee hieß, im Buskonvoi aus Aleppo seien 951 Evakuierte, darunter 108 Verletzte. Zivilisten seien in der Überzahl, es gebe aber auch etwa 200 aufständische Kämpfer.

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