Syrien: Abschiebe-Streit in deutscher Union

SYRIA-LIFESTYLE-CONFLICT
Der CDU-Außenminister Johannes Wadephul scherte nach seinem Syrien-Besuch aus der Parteilinie aus und stellte Abschiebungen ins ehemalige Bürgerkriegsland infrage. Kritik aus der Partei folgt auf dem Fuße.

Während sich NGOs, Opposition und Teile des Koalitionspartners SPD noch an dem „Stadtbild“-Sager des deutschen Kanzlers Friedrich Merz (CDU) ereifern, schert mit Johannes Wadephul Merz’ Parteikollege und Außenminister scheinbar aus der Parteilinie aus – in puncto Abschiebungen nach Syrien.

Opening of the electoral process to establish a new parliament in Syria

Umayyaden-Platz in Damaskus, Oktober 2025

Noch viele Probleme

Wadephul hatte nach einem Besuch in Damaskus angezweifelt, dass angesichts der massiven Zerstörung kurzfristig eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig dorthin zurückkehre. Ein solch großes Ausmaß an Zerstörung habe er persönlich bisher nicht gesehen. „Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben“, sagte der Minister bei einem Besuch in Harasta, einem noch immer schwer verwüsteten Vorort von Damaskus. 

Der mehr als 13 Jahre andauernde Bürgerkrieg hat ganze Städte und Landstriche massiv verwüstet, nach wie vor finden Massaker an ethnischen Minderheiten statt – etwa an den Alawiten, die zu Zeiten des gestürzten Diktators Bashar al-Assad machtvolle Positionen besetzt hatten.

Terrorkräfte

Auch die Drusen mussten sich im Sommer gegen von der Regierung unterstützen Kämpfer verteidigen – und immer wieder werden Terroranschläge gegen Christen und christliche Einrichtungen verübt.

Die Regierung unter dem ehemaligen Terroristen Ahmed al-Scharaa ist alles andere als stabil, insbesondere bereiten islamistische Milizen, deren Anführer zum Teil hohe Positionen in den neu geschaffenen Streitkräften besetzen, regelmäßig Probleme. Sei es durch unrechtmäßige Erschießungen oder dem Festhalten an radikalislamischen Ideologien.

Gleichzeitig ist das Land mitnichten überall so zerstört wie Harasta.

Und es gibt durchaus Menschen, die ihr zerstörtes Land wieder aufbauen wollen: Seit dem Sturz des Assad-Regimes sind laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR 1.164.170 (Stand, 30. Oktober) in ihre Heimat zurückgekehrt, 2.132 aus Deutschland. In Österreich dürfte die Zahl bei etwa 700 liegen.

Abschiebungen gefordert

Merz, der unter anderem mit erneuten Abschiebungen nach Syrien im Wahlkampf geworben und auch einen Aufnahmestopp gefordert hatte, dürfte durch die Aussage seines Außenministers durchaus brüskiert gewesen sein. Der mit der SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag besagt: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“

Zumal der deutsche Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) im September ankündigte, noch in diesem Jahr erste Abschiebungen nach Syrien durchzuführen.

Kritik aus der eigenen Partei an Wadephul ließ nicht lange auf sich warten: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion, Günter Krings, sagte der Bild: „Die spontane Äußerung des Bundesaußenministers wird ganz offensichtlich aus dem Zusammenhang gerissen, wenn man ihr irgendeine Relevanz für die anstehenden und notwendigen Rückführungen nach Syrien geben wollte.“

Der syrische Bürgerkrieg sei vorbei und in weite Teile des Landes sei für die allermeisten ausgereisten Syrer eine Rückkehr zumutbar. Der Zerstörungsgrad eines Landes sei als Argument gegen eine „freiwillige oder pflichtgemäße Rückkehr“ ungeeignet, sagte Krings. „Denn wer soll ein zerstörtes Land wieder aufbauen, wenn das nicht seine eigenen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen tun?“

„Scheinkonflikt“

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann war um Beruhigung bemüht: „Das ist ein Scheinkonflikt.“ Innenminister Dobrindt und Wadephul seien der gleichen Meinung: „Wir schieben ab, wir müssen die Straftäter natürlich abschieben“, sagte er.

Auch der deutsche Kanzleramtsminister Thorsten Frei stieß ins selbe Horn, meinte, Wadephul habe sich in Syrien geäußert zur Situation, die er dort erlebt habe. „In der Tat ist es so, dass wir daran arbeiten, die Situation in Syrien zu stabilisieren, selbstverständlich mit der Zielsetzung, dass die Menschen dann dorthin wieder zurückkehren können.“

Zwischen den Fronten

Das breite Ausrücken der Unionsparteien kommt nicht von ungefähr: Lob für seine Aussage erhielt Wadephul unter anderem von den Grünen, während die AfD moniert, er setze „Merkels Erbe fort“. In einer Situation, in der die Union unter Merz ohnehin als „Umfallerpartei“ tituliert wird, kann sie eine weitere Debatte über ihre Uneinigkeit nicht gebrauchen.

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