Für London wird Brexit zum Zweifrontenkrieg

Gespannte Beziehungen: Premierministerin Theresa May und Schottlands Nicola Sturgeon
Schottlands Regierung will Großbritannien verlassen, möglichst noch vor dem Brexit.

Die Sitten im Londoner Unterhaus sind traditionell rau, doch Gelächter und Grölen irritierten am Dienstag sogar Premierministerin Theresa May. Die sprach nämlich gerade vor den Abgeordneten, erklärte, dass der Brexit für ganz Großbritannien Vorteile bringen werde , und lobte die Zusammenarbeit , "vor allem mit Schottland". Doch das amüsierte die schottischen Abgeordneten nur – unüberhörbar. Schließlich stellt die zum Großteil die schottische Nationalistenpartei SNP, und die hat nur ein Ziel: los von London.

Zwar ist man damit bei einer Volksabstimmung 2014 klar gescheitert (44% dafür), doch der bevorstehende Brexit, also der Austritt Großbritanniens aus der EU, bietet der Regionalregierung in Edinburgh neue Perspektiven. Bevor also Premierministerin May Großbritanniens Antrag auf EU-Austritt in Marsch setzt – jetzt fehlt nur noch die Unterschrift der Queen– meldete sich Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon zu Wort. Sie werde eine weitere Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands abhalten, und zwar noch vor dem Brexit. So könne man im Falle eines "Ja" Großbritannien verlassen und ohne Unterbrechung Mitglied der EU bleiben. Die Regierung in London habe es mit ihrer sturen Haltung unmöglich für Schottland gemacht, Teil Großbritanniens zu bleiben. Man sei mit allen Bitten, beim Brexit auch Schottlands Interessen zu berücksichtigen, "mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen". Dass Großbritannien derzeit auf einen "hard Brexit", also einen Austritt mit Abbruch aller engeren Beziehungen zur EU, zusteuert, macht Schottlands Lage noch schwieriger.

EU-Förderungen

Tatsächlich ist das Land stark abhängig von guten Beziehungen zur EU. Nicht nur sind die EU-Staaten ein wichtiger Handelspartner, etwa für die schottische Öl- und Gasindustrie, Schottland erhält auch großzügige Förderungen aus den Landwirtschafts- und Regionalförderungsprogrammen der EU.

Doch in London will man von einem Referendum vor dem Brexit nichts wissen. Erst danach könne sich Schottland entscheiden, Großbritannien zu verlassen und um EU-Beitritt anzusuchen. Gegen den dürften sich aber andere EU-Staaten wie etwa Spanien, das selbst Probleme mit Unabhängigkeits-Bestrebungen seiner Regionen hat, aussprechen.

Sturgeon lässt sich davon nicht irritieren. Schon nächste Woche will man das Referendum im schottischen Parlament beschließen. Damit man aber tatsächlich über den Austritt abstimmen kann, muss die Regierung in London "Ja" sagen – und die lässt sich jetzt sicher Zeit.

Kommentare