Strafverfahren gegen Italien: Brüssels Knüppel ist aus dem Sack

Die EU-Kommission empfiehlt Sanktionsmaßnahmen gegen den Schuldenkurs der populistischen Regierung in Rom.

Lange hat man in Brüssel gezögert: Italiens exorbitant hoher Schuldenstand sei eine Gefahr für die ganze Eurozone, hört man von jedem Wirtschaftsexperten in Europas Hauptstadt. Doch die Regierung in Rom mit einem Defizitverfahren in die Schranken zu weisen, davor schreckte die EU-Kommission bisher zurück. Die EU-Wahl sollte abgewartet, Italiens Populisten keine Angriffsfläche aus Brüssel geboten werden.

Das Ergebnis: Die Rechtspopulisten von Lega-Chef und Vizepremier Matteo Salvini holten sich einen fulminanten Wahlsieg und kündigten gleich weitere Maßnahmen an, die Italiens Staatsschulden nächstes Jahr auf 135 Prozent der Wirtschaftsleistung hochtreiben werden. (60 Prozent gelten als oberste Messlatte nach den Maastricht-Regeln).

Nach monatelangen Mahnungen und Drohungen holte deshalb gestern die EU-Kommission letztlich ihren Knüppel aus dem Sack: Die Hüterin der europäischen Gesetze empfiehlt die Einleitung eines sogenannten Defizitverfahrens. „Intelligent, aber streng werden so die Gemeinschaftsregeln angewendet“, mahnte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici.

Strafverfahren gegen Italien: Brüssels Knüppel ist aus dem Sack

EU-Währungskommissar Pierre Moscovici

Stimmen dem binnen zwei Wochen auch noch die EU-Finanzminister zu, kann das Verfahren eingeleitet werden. Dann muss Italien konkrete Maßnahmen vorlegen, wie das Defizit abgebaut werden kann. In allerletzter Konsequenz – nach mehr als einem Dutzend weiterer Schritte – könnte Italien sogar zu einer milliardenschweren Strafzahlung verdonnert werden.

Populisten im Gegenangriff

Wie ein einsamer Rufer der Besonnenheit in der römischen Regierung hörte sich gestern Premier Giuseppe Conte an: Er werde „die größtmöglichen Anstrengungen unternehmen, um ein Verfahren abzuwenden“, versprach er. Doch die Rechtspopulisten der Lega gingen sofort auf Gegenangriff: Schuld seien die EU-Regeln, sie müssten vereinfacht und geändert werden. An ihrem Plan, Steuererhöhungen zurückzunehmen und eine Flat Tax von 15 Prozent einzuführen, wollen die Populisten in Rom vorerst nichts ändern.

„Der einzige Weg, die Schulden der vergangenen Regierungen abzubauen, ist es, die Steuern zu senken. Und den Italienern zu erlauben, mehr und besser zu arbeiten“, konterte Salvini gestern. Sein Ziel: Das Wachstum ankurbeln. Offen blieb aber bisher, wie er die entfallenden Steuermilliarden gegenfinanzieren will.

Diese Schuldenpolitik Italiens unter Missachtung aller von der EU vorgegeben Regeln lässt auch beim Internationalen Währungsfonds (IWF) die Alarmglocken läuten: Die hohen Schulden Italiens seien ein „großes Risiko“ für die gesamte Wirtschaft der Eurozone, heißt es in einem Bericht des IWF.

Empfehlungen an Österreich

So wie die Haushaltspolitik und Wirtschaftsentwicklung Italiens hat die EU-Kommission auch jene aller anderen EU-Staaten untersucht. Empfehlungen, was noch verbessert werden sollte, erhielt daher auch Österreich: Besonders im Bereich des österreichischen Gesundheitswesens und in der Pflege rät die Brüsseler Behörde zu Verbesserungen, um sie nachhaltig finanzierbar halten zu können. Dafür, so forderte sie erneut, müsse auch an die Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters gedacht werden, zumal die Lebenserwartung der Menschen immer weiter steige.

Zudem empfiehlt die EU-Behörde: Österreich sollte Vollzeitbeschäftigung für Frauen unterstützten, unter anderem durch Kinderbetreuungseinrichtungen. Außerdem sollten in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern bessere Ergebnisse für die schlecht ausgebildeten Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt erzielt werden.

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