Für das kleine Portugal war es ein wahrer Aderlass: Mehr als 360.000 junge Menschen, viele von ihnen sehr gut ausgebildet, im Alter zwischen 15 und 35 Jahren haben in den vergangenen 15 Jahren das Land verlassen. Der Grund: Fehlende Jobperspektiven im äußersten Südwesten Europas, wo 20 Prozent der Wertschöpfung im Tourismus gewonnen werden. Hohe Jugendarbeitslosigkeit - fast jeder Fünfte findet keine Arbeit. Und wenn doch, sind die Löhne meist deutlich niedriger als im europäischen Durchschnitt, während die Wohnungspreise in den Städten nahezu explodiert sind. Und so hält der Brain Drain - mit Ausnahme des IT-Sektors - aus Portugal unverändert an.
Die Minderheitsregierung von Premier Luis Montenegro beschloss deshalb, diesem Trend einen Riegel vorzuschieben - und präsentierte einen Budgetplan, der Portugal in ein Niedrigsteuerland für junge Erwachsene verwandeln soll:
Zehn Jahre lang sollen Berufseinsteigern Steuererleichterungen gewährt werden. Junge Portugiesen unter 35 Jahren, die weniger als 28.000 Euro verdienen, sollen in ihrem ersten Jahr zunächst gar keine Steuern zahlen. In der Zeit von zwei bis vier Jahren wären sie von 75 Prozent der Steuern befreit, in den Jahren fünf bis sieben von 50 Prozent und in den Jahren acht bis zehn von 25 Prozent. Auch junge Ausländer in Portugal sollen unter diese Regel fallen.
400.000 Menschen würden profitieren
Bis zu 400.000 junge Portugiesen würden von diesen Erleichterung profitieren - dem Staat würden so an die 650 Millionen Steuereinnahmen pro Jahr entgehen.
Ob die Steuererleichterungen allerdings reichen werden, die jungen Portugiesen am Auswandern abzuhalten, wird von vielen Seiten bezweifelt. So warnte der Internationale Währungsfonds die Regierung in Lissabon, dass die Auswirkungen von Steuerbevorzugung "ungewiss" sei.
Nicht nur das Gehaltsniveau sei noch viel zu niedrig, bemängeln Ökonomen, sondern auch noch einen Reihe weiterer Faktoren seien wichtig: "Karriereaussichten, Autonomie am Arbeitsplatz, soziale Absicherung, Zugang zu qualitativ hochwertigem Wohnraum und öffentlichen Dienstleistungen; Kinderkrippen und Schulen - die Lebensqualität - all das kann für den Entschluss zur Auswanderung entscheidend sein“, sagt der Wirtschaftsexperte Ricardo Paes Mamede zur Zeitung Público.
Portgals Budgetplan muss allerdings erst noch durch das Parlament - und da ist noch alles andere als sicher.
Die Unterstützung der sozialistischen Partei für den Haushalt ist nicht garantiert, zumal sie sich gegen eine Senkung des Körperschaftssteuersatzes ausspricht, was ebenfalls zu den Plänen der Regierung gehört.
Gehen die Steuererleichterungen für die Jungen durch, wäre Portugal nicht der erste EU-Staat, der altersabhängige Steueranreize anpeilt. Vor fünf Jahren senkte Polen die Einkommenssteuer für Arbeitnehmer unter 26 Jahren.
Portugal ist traditionell ein Land der Auswanderer. Nach Angaben der Beobachtungsstelle für Auswanderung entspricht die Zahl der Menschen, die dort geboren wurden, aber im Ausland leben, etwa einem Viertel der portugiesischen Wohnbevölkerung von 10,6 Millionen – die höchste Quote in der Europäischen Union.
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