SPD-Kanzlerplan: Gabriel schickt Schulz ins Rennen

SPD-Chef Gabriel überlässt Martin Schulz (l.) den Vortritt als Kanzlerkandidat
Der Vollblut-Europäer führt die deutschen Sozialdemokraten in den Wahlkampf. Sigmar Gabriel verzichtet und wird Außenminister.

Sigmar Gabriel hat ganz einfach Sinn für Dramatik. Geschickt hat er in den vergangenen Wochen mit der Idee gespielt, ganz sicher Kanzlerkandidat der SPD zu werden. Und viele haben es ihm geglaubt.

Doch jetzt kommt alles ganz anders: Dienstagnachmittag ließ Gabriel die Fraktion und die Medien wissen, dass er es sich anders überlegt habe. Er überlässt seinem langjährigen und engen Freund Martin Schulz den Vortritt als Spitzenkandidat.

Der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments wird nun die SPD in den deutschen Wahlkampf führen und gegen die CDU-Chefin und langjährige Kanzlerin Angela Merkel antreten. Schulz soll auch den Parteivorsitz übernehmen.

Chefdiplomat Gabriel

Sigmar Gabriel will sich aber vorläufig noch nicht aus der Politik zurückziehen, sondern die Nachfolge von Außenminister Frank-Walter Steinmeier antreten, der am 12. Februar zum Bundespräsidenten gewählt werden wird. Diese Pläne hat er der SPD-Bundestagsfraktion überraschend bekannt gegeben.

Fast zeitgleich erschienen Interviews mit Gabriel in Stern und Zeit, in denen der Vizekanzler seine Beweggründe ausführlich schildert. Er gibt zu, dass Martin Schulz einfach "der Bessere" in dieser Situation sei. Die SPD liegt mit rund 20 Prozent Zustimmung darnieder, alle Umfragen zeigen, dass Schulz die besseren Werte habe als er. "Mister Europa" sei jetzt der "richtige Mann", um die SPD aus dem Umfragetief zu führen.

In internen Parteizirkeln heißt es, dass für die Entscheidung Gabriels – neben den besseren Image-Werten in der deutschen Öffentlichkeit – mehrere Gründe ausschlaggebend waren: Zum einen die unglaubliche Medienpräsenz des 61-jährigen Freundes aus Würselen, einer Kleinstadt in der Nähe von Aachen, sein versierter Umgang mit internationalen Polit-Größen, seine Vielsprachigkeit (Schulz spricht fünf Sprachen perfekt) sowie gesundheitliche und familiäre Gründe. Vor Weihnachten hatte Gabriel eine schwere Operation und privat erwarten seine Frau und er im Frühjahr ein zweites gemeinsames Kind. "Schulz kann einfach wahlkämpfen, er kommt bei den Leuten an", sagt dem KURIER ein langjähriger Wegbegleiter. Aus dem Stand schaffte er als Listenerster bei der Europa-Wahl 2009 die SPD von 20,8 auf 27,3 Prozent zu hieven. Die Partei weiß auch, dass Martin Schulz in seiner ungestümen, wortgewaltigen und oft witzigen Art sehr gut bei jungen Menschen ankommt. Die SPD-Linke jubelt jetzt über den Spitzenkandidaten, weil sie von ihm erwartet, die Große Koalition mit der CDU, von der viele angewidert sind, aufzukündigen. Gabriel hat sich zuletzt auch für eine Koalition aus SPD, Linke und Grüne ausgesprochen.

Vorbild Willy Brandt

Ob sich Schulz aber daran hält, ist ungewiss: Die SPD hat eine lange antikommunistische Tradition, an die sich auch Schulz hält. Zudem ist der neue SPD-Mann machtbewusst und instinktsicher, er kann auch gut mit konservativen Politikern umgehen, was er in den Jahren zuvor an der Spitze des Europäischen Parlaments bewiesen hat. Mit Merkel versteht er sich, das hat er in Brüssel ebenfalls oft demonstriert und ihre Flüchtlingspolitik stets verteidigt. Eines ist aber auch sicher: Mit Martin Schulz kommt nicht nur ein Vollblut-Europäer in die deutsche Politik zurück, sondern auch jemand, der viele in der Partei an Willy Brandt erinnert. Nicht von ungefähr sagt Martin Schulz, dass "der Willy" sein großes politisches Vorbild sei. "Schulz verbindet Tradition und Zukunft der Partei", sagen SPD-Europa-Abgeordnete in Brüssel.

Kommentare