Im Jänner landeten so viele Flüchtlinge auf den Kanaren wie nie zuvor

Migranten warten darauf, ein Boot zu verlassen, dass vor Gran Canaria ankert
Die EU und Spanien beraten sich zur Lage auf den spanischen Kanaren. Allein im Jänner 2024 landeten dort so viele Flüchtlinge wie nie zuvor.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden am kommenden Donnerstag gemeinsam Mauretanien besuchen, um die Zusammenarbeit zwischen dem im Nordwesten Afrikas gelegenen Land und der Europäischen Union im Kampf gegen illegale Einwanderung zu verstärken.

Hintergrund der Initiative ist die sich seit über einem Jahr dramatisch zuspitzende Flüchtlingssituation auf den Kanarischen Inseln. Laut dem spanischen Innenministerium erreichten über 40.000 afrikanische Bootsflüchtlinge im vergangenen Jahr die spanischen Ferieninseln vor der Westküste Afrikas. Mehr als zur bisher größten Migrationskrise 2006.

Und der Flüchtlingsstrom auf die Kanaren reißt auch in diesem Jahr nicht ab. Im Gegenteil: Im Jänner 2024 strandeten mit 6.000 Migranten so viele Migranten wie nie zuvor in einem Jänner auf den spanischen Atlantikinseln. 

Grund für diese neue Rekordzahl Anfang des Jahres sind die günstigen Wetterbedingungen auf dem sonst zu dieser Jahreszeit stürmischen Atlantik.

1.000 aus Seenot gerettete Flüchtlinge vor Kanaren in einer Woche

Allein am vergangenen Wochenende musste die spanische Seerettung vor den Kanaren bis zu 1.000 Bootsflüchtlinge retten. Früher strandeten die Flüchtlingsboote eher auf Lanzarote, Gran Canaria oder Fuerteventura. Doch im vergangenen Jahr wurden die mit Abstand meisten Migranten vor der kleinsten und westlichsten Kanareninsel aufgegriffen.

Fast 15.000 Flüchtlinge erreichten 2023 El Hierro, eine Insel, auf der gerade einmal 11.000 Menschen leben. Das hat einen konkreten Grund und deshalb fliegen auch Spaniens Regierungschef Sánchez und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen am Donnerstag gemeinsam nach Mauretanien.

Warum so viele Flüchtlinge die Kanareninsel El Hierro erreichen

Rund 83 Prozent aller Flüchtlingsboote, die im Jänner die Kanaren erreichten, starteten von der Küste Mauretaniens aus. Da Marokko von der Europäischen Union Millionen von Euro erhält, um die illegalen Flüchtlingsboote vom Ablegen abzuhalten, starten die Migranten immer weiter im Süden in Mauretanien, aber auch im Senegal und in Gambia.

Dabei treiben die meisten zur westlichsten Insel El Hierro. Wenn sie es überhaupt schaffen. Da die Überfahrt von diesen südlicheren Staaten bis auf die Kanaren bis zu zehn Tage dauern kann, kommen immer mehr Menschen beim Versuch um. 

Eine der gefährlichsten Flüchtlingsrouten überhaupt

Die Fahrt von der westafrikanischen Atlantikküste zu den Kanaren ist laut der spanischen Flüchtlings-NGO Caminando Fronteras mittlerweile zur weltweit gefährlichsten Flüchtlingsroute überhaupt geworden. Im vergangenen Jahr sind laut der NGO insgesamt 6.007 Migranten beim Versuch, die spanischen Kanaren und damit Europa zu erreichen, ertrunken, verdurstet oder verhungert.

Spanien und die EU haben sowohl mit Mauretanien als auch dem benachbarten Senegal zwar Kooperationsabkommen, um die Zahl der Migranten zu verringern. Dennoch habe sich vor allem Mauretanien laut Experten in vergangenen Jahren immer mehr zum Transitland für Flüchtlinge aus der Sahelzone auf ihrem Weg nach Europa entwickelt - sowie für Aktivisten des Islamischen Staates aus Mali und Niger.

Um die Zusammenarbeit mit Mauretanien im Kampf gegen kriminelle Menschenschlepperbanden zu intensivieren, will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der mauretanischen Regierung von Präsidenten Mohamed Ould Ghazouani laut der spanischen Tageszeitung El País ein EU-Hilfspaket von rund 200 Millionen Euro anbieten. 

Obwohl Mauretanien bereits beträchtliche EU-Gelder für Fischereilizenzen erhält, sind die Mittel für Grenzfragen und Migrationskontrollen begrenzt und belaufen sich auf nur 15 Millionen Euro pro Jahr.

Das afrikanische Flüchtlingsproblem verlagert sich

Das dürfte das afrikanische Flüchtlingsproblem aber nur noch weiter nach Süden in den Senegal verschieben, befürchten Migrationsexperten. Die jüngsten Dürrekatastrophen und damit einhergehenden Hungersnöten, aber auch die politische und soziale Instabilität in zahlreichen afrikanischen Staaten der Sahelzone, die seit Monaten von Militärputschen und blutigen Unruhen heimgesucht werden, treiben immer mehr Menschen zur Flucht nach Europa. 

Blutige, fast bürgerkriegsähnliche Konflikte zwischen bewaffneten Gruppen haben vor allem in Staaten wie Burkina Faso, Mali, im Tschad und Niger im letzten Jahr zu massiven Vertreibungen geführt.

Die kanarische Regierung von Regionalpräsident Fernando Clavijo schätzt, dass rund 300.000 Afrikaner in Mauretanien darauf warten, auf die Kanarischen Inseln zu gelangen. Der Migrationsdruck ist auf den Kanaren bereits derart hoch, dass Mitte Jänner eine Delegation der kanarischen Bischöfe im Vatikan Papst Franziskus über die dramatische Flüchtlingslage auf den Inseln unterrichtete. Der Papst will versuchen, die Inselgruppe noch in diesem Jahr zu besuchen - eventuell bei einem Zwischenstopp auf dem Weg in seine argentinische Heimat.

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