Spanien schlittert in Neuwahlen

Vom letzten Wahlkampf sichtlich ramponiert: Sozialistenchef Sanchez muss aber schon wieder in die nächste Runde. Ende Juni wird gewählt.
Nach Scheitern aller Verhandlungen sollen Neuwahlen Klarheit schaffen. Die Chancen stehen schlecht.

Es war ein bemerkenswert kleinlauter Auftakt für einen Wahlkampf. Er habe Premier Mariano Rajoy wohl irrtümlich als "unanständig" beschimpft gestand Sozialistenchef Pedro Sanchez am Mittwoch vor der Presse ein. In Wahrheit habe man ja vieles gemeinsam, man müsse nur mehr darauf achten.

Versöhnlicher Tonfall nach vier Monaten ebenso erfolglosen wie feindseligen Tauziehens, das Spaniens Politik gelähmt hat. Eine Regierung ist dabei nicht herausgekommen. Neuwahlen Ende Juni sind fix.

Doch die Hoffnung war von Anfang an gering. Hatten doch die Parlamentswahlen am 20. Dezember des Vorjahres die Machtverhältnisse in dem Krisenland nicht nur auf den Kopf gestellt, sondern auch die alten Machtblöcke zertrümmert. Rajoys bis dahin regierende konservative Volkspartei PP büßte nach dramatischen Verlusten ihre absolute Mehrheit ein, landete aber an erster Stelle.

Dahinter Spaniens zweite ehemalige Großpartei, die Sozialisten der PSOE von Pedro Sanchez. Fast ebenso stark aber war die neue linke Protestpartei Podemos. Entstanden in den Jugendprotesten gegen Wirtschaftskrise, Sparpolitik und Korruption, ist Podemos mit seinem charismatischen Chef Pablo Iglesias eine zwar innerlich zerstrittene, aber dynamische Bewegung, die den Sozialisten die Meinungsführerschaft in der Linken weitgehend abgenommen hat.

Machtkampf der Linken

Den Kampf gegen die in Spanien tatsächlich uferlose Korruption hat auch die zweite neue politische Kraft zu ihrer wichtigsten Botschaft gemacht. Die Ciudadanos mit ihrem Chef Albert Rivera sind eigentlich eine bürgerlich-liberale Bewegung, die aber trotzdem einen radikalen politischen Umbruch verspricht. Sie will Spaniens eng verflochtene politische und wirtschaftliche Eliten entmachten.

Spanien schlittert in Neuwahlen
Spanish Prime minister Mariano Rajoy checks his watch as he leaves a press Conference after meeting with Spanish King, at La Moncloa palace in Madrid on February 26, 2016. / AFP PHOTO / CURTO DE LA TORRE
Wie kein anderer steht Premier Rajoy für dieses Netzwerk. Mit ihm eine Koalition zu bilden, war daher für die selbst ernannten Erneuerer von Ciudadanos kaum möglich. Kaum Chancen auf Erfolg aber hatten auch die Verhandlungen von Sozialisten und Podemos, zu sehr wetteifert man um die Wortführerschaft in der Linken.

Gerade dieser Streit könnte nun im neuen Wahlkampf eskalieren. Für die Sozialisten wird die Abwanderung der Jugend ins Lager von Podemos zur ernsten Bedrohung. Schon zum Auftakt des Wahlkampfes ging Sozialistenchef Sanchez daher auf seinen linken Herausforderer Iglesias los. Dieser wolle gar keine Reformregierung, sondern nur zerstören und werde deshalb bei der Wahl abstürzen. Umfragen jedoch deuten eher das Gegenteil an.

Angst vor neuer Krise

Für die Kommentatoren der spanischen Zeitungen sind das alles andere als gute Voraussetzungen, um bei Neuwahlen klare Verhältnisse zu schaffen. "Ein Fiasko des politischen Systems" ortet etwa El Pais. Aktuelle Umfragen zeigen vor allem einen Trend an. Spaniens Wähler haben auch den Rest ihres Vertrauens in die Politik verloren. 80 Prozent sind gänzlich unzufrieden mit der Situation.

Das liegt nicht nur an den unklaren Mehrheitsverhältnissen, sondern auch am politischen Stillstand. Während Reformen, wie etwa des Arbeitsrechtes, nicht vorankommen, explodieren Schulden und Budgetdefizit von Neuem. Spanien, das sich eigentlich auf dem Weg der wirtschaftlichen Erholung befand, hat mit mehr als fünf Prozent Defizit im Vorjahr alle EU-Vorgaben verfehlt.

Die Arbeitslosigkeit ist zwar gesunken, aber mit 20 Prozent immer noch erschreckend hoch. Auch kommt der Aufschwung bei den Menschen nicht an. Die Löhne sind auch bei jenen, die wieder Arbeit finden, erschreckend niedrig. "Mileuristas" nannte man vor ein paar Jahren mitleidig jene, die mit einem Vollzeitjob gerade einmal 1000 Euro verdienten. Davon, so ein junger Spanier gegenüber einem Reporter der FAZ, könnten junge Leute heute nur noch träumen.

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