Warum die Spanier Touristen mit Wasserpistolen angreifen
Von Julia Macher aus Barcelona
Seit Demonstrierende Anfang Juli bei einem Protest gegen Massentourismus in Barcelona Urlauber mit Wasserpistolen bespritzten, diskutiert Spanien über „Tourismusphobie“. Nicht nur in der Mittelmeermetropole, auch auf den Balearen, den Kanaren und im andalusischen Málaga gingen in den letzten Wochen Einheimische auf die Straße. Sie forderten eine Abkehr vom Geschäftsmodell aus Sonne, Strand, Sangría.
Warum ausgerechnet jetzt? Spanien erwartet in diesem Jahr die Rekordzahl von über 90 Millionen Touristinnen und Touristen, allein nach Barcelona kommen voraussichtlich über 19 Millionen. „Das sind einfach zu viele“, sagt Georgina Ricard aus Barcelona. „Die Busse sind so voll, dass ich mit dem Kinderwagen nicht mehr reinkomme und bei uns im Viertel richtet sich das gesamte Angebot an Touristen.“ Die Lehrerin lebt mit ihrem Mann und den beiden Kindern im Eixample. Das bürgerliche Viertel mit den vielen Modernisme-Bauten fehlt in keinem Reiseführer.
„Die Einheimischen ziehen weg, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten können.“ Um fast 70 Prozent sind die Mieten in den letzten zehn Jahren gestiegen, um 40 Prozent die Kaufpreise. Als ein Treiber gilt die Vermietung an Touristen über Plattformen wie Airbnb.
Barcelonas Bürgermeister Jaume Collboni von den katalanischen Sozialisten hat angekündigt, die Lizenzen für die etwas über 10.000 offiziellen Ferienapartments bis 2028 auslaufen zu lassen. Aber Georgina Ricard glaubt nicht, dass das die Lage kurzfristig entspannt. „Wir haben unsere Stadt an den Tourismus verkauft – es wird lange dauern, sie wieder zurückzuerobern.“
Niedrige Löhne
Etwa 14 Prozent der Wirtschaftsleistung macht der Tourismus in Barcelona aus, auf den Inseln im Mittelmeer und im Atlantik sind es sogar zwischen 30 und 40 Prozent. Doch bei Zimmermädchen, Kellnern, Reiseleitern kommen die Gewinne daraus nicht an. „Das Urlaubsgeschäft ist nur so rentabel, weil die Löhne so niedrig sind“, sagt Anthropologe José Mansilla, der an der Freien Universität Barcelona zur Entwicklung des Tourismus forscht.
Auch unter denjenigen, die eigentlich vom Urlaubsgeschäft leben, macht sich Unmut breit. Agnes Rodríguez arbeitet als Fremdenführerin. Beim Protest in Barcelona stand sie in der ersten Reihe. „Die Stadt, die ich meinen Reisegruppen zeige, hat immer weniger mit der zu tun, in der ich aufgewachsen bin“, sagt sie. Was sie tun würde, wenn tatsächlich die Touristen ausbleiben? „Dann arbeite ich als Kunsthandwerkerin oder unterrichte.“
Mittlerweile wurde die Kurtaxe auf vier Euro angehoben. Auch Kreuzfahrttouristen, die nur für ein paar Stunden in der Stadt sind, müssen zahlen. Das hilft, die Stadtkasse zu füllen. Doch die Gemüter beruhigt es kaum. Ende August beginnt in Barcelona der America‘s Cup. Die Mittelmeermetropole ist erstmals Austragungsort der wichtigsten Segelregatta der Welt. Zweieinhalb Millionen zusätzliche Besucher erwartet die Stadt wegen des Sport-Events. Und das in einem Jahr, das sich ohnehin rekordverdächtig anließ.
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