Tatsächlich sind die polizeilichen Ermittlungen und die Gerichtsverfahren im Mordfall Malcolm X bis heute nicht nur umstritten, sie geben auch weiterhin Rätsel auf. Abdul Halim, der einzige Mörder, der die Tat auch gestanden hatte, hatte schon 1977 in einer eidesstattlichen Erklärung klar gemacht, dass seine beiden angeblichen Mittäter unschuldig seien und keine Rolle bei dem Mord gespielt hätten.
Abgesägte Schrotflinte
Halim hatte in seinen Erklärungen vier andere Männer angegeben, die mit ihm gemeinsam den Mord am 21. Februar 1965 in einem Tanzsaal in New York geplant und ausgeführt hätten. Malcolm X hielt dort einen Vortrag, als er auf offener Bühne durch Schüsse aus einer abgesägten Schrotflinte und mehreren anderen Waffen regelrecht durchsiebt wurde. Die Täter konnten im allgemeinen Chaos entkommen.
Die Ermittlungen aber liefen von Anfang an verkehrt. Die Polizei ignorierte Hinweise und Aussagen von Augenzeugen. Über die Hintergründe für dieses konsequente Fehlverhalten gibt es mehrere, einander oft widersprechende Theorien. Eine besagt, dass die Polizei die schwarze Bürgerrechtsbewegung rund um Malcolm X infiltriert hatte. So seien auch deren Informanten bei dem Mord anwesend und möglicherweise sogar in ihn verwickelt gewesen. Um das zu vertuschen, wurden die Ermittlungen von Beginn an manipuliert.
Die andere Theorie sieht den Mord als Folge interner Machtkämpfe verschiedener Gruppen der Bürgerrechtsbewegung. Malcolm X hatte die sogenannte „Nation of Islam“ im Streit verlassen. Deren Führer soll daher den Mord in Auftrag gegeben haben.
Netflix-Dokuserie
Es ist die Spur, die auch der Mann verfolgt, durch dessen Recherchen der Fall nach Jahrzehnten wieder aufgerollt wurde: Journalist und Autor Mohammed Abdur-Rahman. Seine sechsteilige Dokuserie „Who killed Malcolm X“ sorgte 2020 für viel öffentliches Aufsehen. Mohammeds Recherchen legen nahe, dass es sich tatsächlich um ein Mordkomplott innerhalb der Bürgerrechtsbewegung handelte. Viele Menschen aber, die Gerechtigkeit für den ermordeten Aktivisten forderten, würden nicht wollen, „dass endgültig feststeht, dass Schwarze den Abzug gedrückt haben“.
"Nie Gerechtigkeit erfahren"
Schließlich entschloss sich der prominente Staatsanwalt von Manhattan, Cyrus Vance, den Fall noch einmal aufzurollen. Das Ergebnis ist nun die Aufhebung der Schuldsprüche gegen die zwei über Jahrzehnte unschuldig Inhaftierten. In einem Interview mit der New York Times entschuldigte sich Vance im Namen der Justiz für das Versagen, „das heute ohnehin nicht mehr gut gemacht werden kann. Alles was wir heute noch tun können, ist die Schwere des Irrtums einzugestehen. Diese Männer haben nie die Gerechtigkeit erfahren, die sie verdient hätten.“
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