Söders Strategie: Auf die zahme Tour

Söders Strategie: Auf die zahme Tour
Bayerns Ministerpräsident übt sich in leisen Tönen und streichelt Katzen – doch die Werte der CSU rasseln weiter nach unten

Markus Söder ist ein Verwandlungskünstler, keine Frage. Er kann holzen, dass sich die Stammtische biegen oder mit staatstragender Miene Landesvater spielen, der andere zur Mäßigung ihrer Sprache aufruft (nachdem er mit seinem Jargon zuvor fast die AfD übertrumpfte). Diese Wendigkeit ließ sich in den vergangenen Wochen besonders gut beobachten.

Zur Erinnerung: Die CSU versuchte, mit rigider Flüchtlingspolitik und inszeniertem Krieg gegen Merkel, der AfD Stimmen abzujagen. Doch der Versuch lief aus dem Ruder und führte zur Regierungskrise. Das Getöse schadetet der CSU aber mehr, als es nützte: Je schärfer der Ton, desto tiefer sanken die Werte. Zuletzt gingen noch mehr als 25.000 Menschen gegen ihren Kurs auf die Straße – inklusive Kirchenvertreter. Das muss eine christlich-soziale Partei erst einmal schaffen.

Nicht umsonst stand Anfang August der Besuch in der katholischen Wallfahrtskirche Maria Vesperbild auf der Agenda des Protestanten. Ein solcher Termin liefert schöne Bilder und eine gute Vorlage für den Imagewandel, weiß Medienprofi Söder: So verkündet der 1,94-Meter-Mann neuerdings Wohltaten. Er wolle mehr für Landwirte tun, die unter der Dürre leiden sowie Menschen mit Beeinträchtigung helfen. Auch die Familien hat der Vater dreier Kinder für sich entdeckt und will für sie in den Geldtopf greifen, kündigte er via Facebook an, wo Journalisten nicht nachbohren können und er Regie nach seinem Geschmack führt: Söder, der am See entspannt oder hoch zu Berg in die Ferne blickt und Wolkiges verspricht („ Bayern ist ein starkes Land, wir liegen in Deutschland ganz vorne, das soll auch so bleiben“).

Ja, vorne liegt zwar seine CSU, allerdings weit hinter dem selbst gesteckten Ziel, der absoluten Mehrheit. Aktuell rasselten die Werte im Trendbarometer der Fernsehsender RTL /n-tv auf historisch tiefe 37 Prozent herunter. Und auch in anderen Umfragen sieht es nicht besser aus. Die CSU gemäßigt und Söder als milder Wohltäter – diese Wandlung mag scheinbar kaum einer glauben. 34 Prozent der Befragten nannten ihn und seine CSU gar als „Problem Bayerns“. Dem nicht genug, kürte ihn zuvor eine Forsa-Umfrage zum unbeliebtesten Ministerpräsidenten in Deutschland.

Kuschelonkel

Ob er deswegen kürzlich zum Kuschelonkel für Tiere mutierte? Tatsächlich besuchte Söder ein Tierheim. In einem Video machte er auf die Not der im Urlaub zurückgelassenen Haustiere aufmerksam und streichelte ein Kätzchen – und vielleicht im Gedanken gleich ein paar Wähler mit.

Was diese ebenfalls neu zu hören bekommen: Lob. Selbst wenn Söder das Thema Flüchtlinge anspricht, klopft er zuerst dem Volk auf die Schultern, bedankt sich für ihr Engagement. Damit gibt er den Forderungen lokaler CSU-Politiker nach, die sich in einer gemäßigten Gruppe formierten („Union der Mitte“) und medial den negativen Sprech ihrer Partei beklagten. Nicht wenige ihrer Gemeindemitglieder bzw. Wähler engagierten sich in der Flüchtlingshilfe und fühlten sich verunglimpft, wenn Söder und Co. gegen Flüchtlingshelfer donnerten. Die CSU gebe so die Mitte preis und verliere ihren Status als Volkspartei, wenn sie am rechten Rande fischt, lautete der Tenor. Ihre Kritik richtete sich auch an CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer. Er ließ sich im Streit um die Flüchtlingspolitik zwar treiben, hob ihn aber zum persönlichen Machtkampf mit Merkel empor und kämpft seither auf eigene Rechnung.

Dass nichts mehr zu gewinnen ist, hat Markus Söder früh erkannt und sich von Seehofer distanziert. Auch das hat er im Repertoire: Den Geläuterten mimen („Streit nützt nie“) und gleichzeitig den Finger auf andere richten (Die Schuld liege in Berlin, „ich will mich aufs Land konzentrieren“). Was sich im Oktober abspielen könnte, sollte die Wahl zum Debakel werden, lässt sich schon erahnen.

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