"Söder hat Kreide gefressen": Deutsche Stimmen zur K-Frage
Zwei Anwärter und nur einer kann Kanzlerkandidat werden - vor diesem Dilemma steht die deutsche Union wenige Monate vor den Bundestagswahlen im September. Die Kontrahenten: Armin Laschet, vergleichsweise farblos wirkender Chef der derzeitigen Kanzlerinnen-Partei CDU, und Umfragenkaiser Markus Söder, Laschets Pendant bei der bayrischen Schwesterpartei CSU.
Beide haben am Montag von den Präsidien ihrer Parteien das Go für eine Kandidatur bekommen, und beide denken nicht daran, ihren Kampf um die Nachfolge Angela Merkels zugunsten des Unionsfriedens aufzugeben. Eine Entscheidung soll es bis Ende der Woche geben - wie diese aussehen könnte bzw. sollte, wird in deutschen Medien heiß diskutiert.
Keine andere Wahl
Auch wenn Söder laut Umfragen deutlich populärer bei den Wählern ist als Laschet, hatte die CDU keine andere Wahl, als ihren Vorsitzenden als Kanzlerkandidat zu unterstützen - diese Meinung teilen die Kommentatoren mehrerer Zeitungen.
So schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Die CDU hat, auch wenn das noch nicht jeder Hinterbänkler begriff, keine andere Wahl, als sich hinter Laschet zu sammeln. Wie sollte dieser die CDU in die Zukunft nach Merkel führen, wenn man ihm nicht zutraute, der Union zu einem Sieg in der Bundestagswahl zu verhelfen? Dann könnte, dann müsste er auch als Parteichef abdanken."
"Chance genutzt"
Ähnlich sieht das die taz, die zuletzt ihren Titel mit Söder zierte: "Sollten etwa die CDU-Granden ihren gerade gewählten Vorsitzenden mit der Bevorzugung von Söder gleich wieder demontieren? Laschet hatte seine Chance. Er hat sie genutzt."
Skeptisch bis pessimistisch
Ob eine Kandidatur Laschets allerdings in einen Sieg der Union münden würde, sehen Beobachter skeptisch bis pessimistisch - nicht alle jedoch so ausgeprägt wie die satirische "heute-show" des ZDF. "Laschet will Kanzler werden. Nach einem Jahr ohne Kino endlich wieder Science-Fiction", twitterte diese.
"Laschet hat - noch - die besseren Karten", glaubt dagegen das Darmstädter Echo. "Mit steigendem Impf-Fortschritt kann sich die Stimmung im Land bis September deutlich aufhellen. Und wer eine Partie gegen einen so druckvollen Angreifer einfach durch Weiterlaufen behauptet, dem trauen die Menschen am Ende doch einiges zu. Falls sie nicht grundsätzlich zu dem Schluss kommen, dass das Team Union besser einmal auf der Oppositionsbank zur Ruhe kommen sollte."
"Söder hat Kreide gefressen"
Eindeutig im "Team Söder" positioniert sich der Kommentator der Welt, Ulf Poschardt. "Die CDU ist nach 16 Merkel-Jahren erschöpft. Sie sollte deshalb jetzt auf Markus Söder setzen", meint dieser.
Auch bei den Stuttgarter Nachrichten überzeugt ist man überzeugt, dass Söder das Rennen für sich entscheiden kann. "Markus Söder hat eine Menge Kreide gefressen, bevor er Armin Laschet eine brutale Kampfansage macht", heißt es dort. "Der CSU-Vorsitzende will mit aller Macht Kanzlerkandidat der Union werden. Seine Botschaft an CDU-Chef Laschet lautet: Dich unterstützen allenfalls die Funktionäre, die Basis unserer Parteien bevorzugt mich."
"Putsch der CDU"
Für den Münchner Merkur könnte Söder nur durch einen "Putsch" ins Kanzleramt gelangen: "Nur zwei Wege führen für Markus Söder ins Kanzleramt. Beide erfordern einen Putsch der CDU gegen ihren Chef Armin Laschet. Die erste Gelegenheit zu einer Revolte von oben hat die Partei verstreichen lassen: Im Präsidium stellten sich die Granden erstaunlich einmütig hinter Laschet. Dem Münchner Regenten bleibt jetzt noch die Hoffnung auf eine Rebellion von unten, von der CDU-Basis."
Sollte Söder doch nicht nominiert werden, fände das zumindest die "heute-show" nicht weiter schlimm:
"Eine Beleidigung für uns"
Manche Kommentatoren wollen weder Laschet noch Söder als Kanzlerkandidat; sie finden den derzeitigen Schlagabtausch der beiden angesichts der Corona-Krise kleinlich.
"Laschet oder Söder? Allein die Frage ist eine Beleidigung für uns alle", schreibt etwa der Stern mit Blick auf die Versäumnisse beider Politiker in der Pandemie.
In einem Kommentar des Magazins heißt es: "Das Duell um die Kanzlerkandidatur entbrennt zur Unzeit, lenkt in denkbar heikler Lage vom Wesentlichen ab und bestätigt das ungute Gefühl, dass Politiker auch dann noch ausschließlich nach Macht streben, wenn längst die allgemeine Sicherheit auf dem Spiel steht. Weil sie Politiker sind. Weil sie gar nicht anders können."
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