Markus Söder und die Kanzlerkandidatur: Spiel auf Zeit
Es wurde bis in die Nacht telefoniert, gesprochen und beraten – denn seit Sonntag ist klar: Aus dem Sticheln und Stänkern der letzten Wochen ist ein offenes Duell geworden: Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) wollen beide als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen, doch nur einer kann es werden.
Die Christdemokraten haben sich nach ihrer Präsidiumssitzung am Montag hinter ihren Parteichef gestellt. Laschet selbst war bemüht, die Entscheidung nicht als Abstimmung darzustellen – es soll nicht so aussehen, als würde die CDU-Spitze alleine über die Kandidatur entscheiden. Ein Zerwürfnis will niemand. Gut ist noch das Jahr 2018 in Erinnerung, als die Unionsgemeinschaft fast an einem Streit um die gemeinsame Migrationspolitik zerbrochen wäre.
Also versuchte es Laschet freundlich in Richtung München: „Das war heute keine Vorentscheidung. Das war ein Meinungsbild.“ Er werde „recht bald“ mit Söder sprechen – denn: „Alle wollen eine schnelle Entscheidung.“ Die Probleme seien so groß, dass man sich nicht länger mit Parteipolitik aufhalten könne.
In München, wo das CSU-Präsidium tagte, sah man die Dinge etwas anders. Söder, der seine Partei hinter sich versammeln konnte, will die Entscheidung vertagen. „Normalerweise ist es so“, sagte er. „Wenn der Parteivorstand entscheidet, dann gibt es eine euphorische Stimmung an der Basis", so Söder. Dann verwies er auf die Umfragewerte sowohl für die Union als auch für ihn. In der Gunst der Wähler und Anhänger der Union liegt er mit Abstand vor Laschet, der gestern erklärte, Umfragen wären nicht das einzige Kriterium. Sein Kontrahent findet aber: Man könne sich nicht abkoppeln von der Mehrheit der Bevölkerung. „Personen spielen nun mal eine zentrale Rolle“. Man müsse nun andere Stimmen hören als nur die Führungsriege einer Partei.
Was will Markus Söder?
Doch was will Söder erreichen? Zeit gewinnen und hoffen, es würden sich doch noch namhafte CDU-Vertreter auf seine Seite stellen oder umschwenken? Oder, will er eine Abstimmung in der Fraktion erzwingen?Es heißt, dass er auf Unterstützung jener Abgeordneten zählen kann, die mit Blick auf die schwachen Umfragewerte von Laschet um ihren Wiedereinzug in den Bundestag fürchten. Bisher haben sich etwa 60 CDUler, darunter der kleine Berliner Hauptstadt-Landesverband und der Ortsverband Düsseldorf-Lierenfeld, für den Franken ausgesprochen. Er will am Dienstag in der Sitzung der Fraktion auftreten.
Dabei könnte Söder gut ohne Gesichtsverlust aus dem Rennen aussteigen: Hatte er doch am Sonntag seine Entscheidung zu kandidieren, quasi der CDU überlassen: „Wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstützen, wäre ich bereit. Wenn die CDU es nicht will, bleibt ohne Groll eine gute Zusammenarbeit.“ Sieht so aus, als würde es doch noch ziemlich knirschen.
Die Kandidaten im Überblick
Armin Laschet, der Moderator mit dem langen Atem
Ein zäher Machtkampf um den CDU-Vorsitz, Kritik am Pandemie-Management und jetzt noch ein Duell um die Kanzlerkandidatur – ausgerechnet gegen einen, der in Umfragen deutlich mehr Zustimmung bekommt. Es hätte einen nicht verwundert, wenn sich Armin Laschet dieser Tage vor die Presse gestellt hätte, um seinen Verzicht zu erklären. Hat er aber nicht.
Armin Laschet sah schon öfters wie der Verlierer aus, ging am Ende aber als Sieger hervor. Der 60-jährige Nordrhein-Westfale ist machtbewusst und bestens vernetzt innerhalb der CDU, was manche hinter seiner leutseligen, rheinischen Frohnatur nicht vermuten würden. Während andere vorpreschten, hielt er sich eher zurück und war dann zur Stelle, als deren Stern verglühte: So beerbte er Ex-Hoffnungsträger Norbert Röttgen als CDU-Landeschef in NRW oder besiegte 2017 die beliebte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Selbst Friedrich Merz, Favorit der CDU-Basis, konnte er knapp, aber doch ausbooten – auch weil er in der Union als „Versöhner“ geschätzt wird – und als moderierender Typ mit dem Talent, unterschiedliche Interessen zusammenzubringen. In der Pandemie kam er mit diesem Kurs allerdings nicht weit, da ist ein zupackender „Macher“ wie Söder gefragt. Laschet wirkt mit seiner abwägenden Haltung zwischen Lockerung und Lockdown zögerlich. Seine Auftritte vor der Kamera sind teils durchwachsen und fahrig, doch er hat „Stehvermögen“, wie Rivale Söder anerkennend wissen ließ.
Markus Söder, ein Chamäleon mit Hang zu „Schmutzeleien“
Marilyn Monroe im Fasching, Kronprinz von Bayern oder Anti-Merkel: Markus Söder hatte schon viele Rollen inne – die des Kanzlerkandidaten wäre die neueste, sie könnte ihm durchaus gelingen. Kaum ein Politiker ist so wandlungsfähig wie der 54-jährige Franke, der sich vom polternden Haudrauf zum strengen, aber seriösen Landesvater gewandelt hat.
CSU-Chef Söder erkennt Stimmungen und Bewegungen und setzt sich dann vorne an die Spitze – 2018 ging das nicht ganz so auf. Söder nahm sich vor, die AfD von rechts zu überholen – und bekam dafür Protest wie Gegenwind zu spüren. Am Ende fuhr die CSU ihr bis dato schlechtestes Ergebnis ein, die Grünen konnten sich fast verdoppeln. Seither umarmt Söder lieber Bäume als Bauern und versprach den Bayern vieles: vom Raumfahrtprogramm Bavaria One bis zu mehr Schutz für die Bienen.
In der Pandemie rückte das alles in den Hintergrund und Söder als Krisenmanager nach vorne. Schnell ließ er sich auf den stringenten Kurs der Kanzlerin ein – jene Frau, die er 2018 im Streit um die Flüchtlingspolitik massiv quälte. Das bereue er, erklärte er jüngst im Magazin Spiegel. Seine Mitgliedschaft in Merkels „Team Vorsicht“ brachte ihm jedenfalls bundesweit beste Umfragewerte. Jetzt will er sein bisheriges Lebensziel – Ministerpräsident von Bayern – toppen: Er will ins Kanzleramt. Sein Weg in die Staatskanzlei war einst weniger ruhmreich. Ex-Rivale Horst Seehofer warf Söder „Schmutzeleien“ vor. Sollte der nun nach Berlin wechseln, wird er zeigen müssen, dass er nicht nur ein Einzelspieler ist. Als Kanzler muss er das ganze Land im Blick haben und als Regierungschef einer Koalition Integrationsfähigkeit besitzen.
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