So wurde George Soros zum bestgehassten Gutmenschen
„Es gibt stichhaltige Gerüchte, dass Soros daran beteiligt ist, wenn es darum geht, gezielt Migrantenströme nach Europa zu unterstützen.“
Seit Johann Gudenus kürzlich diesen Satz von sich gab, herrscht Aufregung: Der FPÖler bediene ganz offen Theorien um die jüdische Weltverschwörung, hieß es da.
Allein: Was steckt hinter dem Vorwurf? Und wem nützt er? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wer ist George Soros überhaupt? Und warum besitzt er so viel Geld?
George Soros, 1930 als Sohn jüdischer Eltern in Budapest geboren, ist einer der reichsten Investoren der Welt. Forbes schätzt sein Vermögen auf 25 Milliarden Dollar; erwirtschaftet hat er die mit heftig umstrittenen Spekulationsgeschäften an der Börse – etwa Wetten gegen Währungen. Zivilgesellschaftlich engagiert er sich seit den 1980ern, er unterstützt über seine Open-Society-Stiftung mehr als 60 NGOs mit bisher mehr als 32 Milliarden Dollar. Als Motivation dafür gibt er die selbst erlebte Judenverfolgung der Nazis und den Einfluss seines Mentors Karl Popper an.
Woher kommen die Gerüchte um ihn?
Vor allem aus dem Osten, wo er am engagiertesten ist. Dort erregten die von ihm geförderten Projekte oft den Unmut der Regierenden: Ungarns Premier Viktor Orbán, der sogar mit einem Soros-Stipendium in Oxford studierte, sprach von „Umtrieben“ eines jüdischen Financiers, der mittels Migration „die Nationalstaaten schwächen“ wolle. Ähnliches hörte man vom slowakischen Ex-Premier Robert Fico im Zuge des Korruptionsskandals. In Russland wurden Soros-Bücher verbrannt, seine Stiftung verboten. Warum? Mit Soros werde eine „Bedrohungskulisse“ von außen aufgebaut und ein „Feind von außen“ stilisiert, sagt der Salzburger Politologe Reinhard Heinisch – damit wird von inneren Problemen abgelenkt. In Ungarn deckte eine von Soros mitfinanzierte NGO etwa korrupte Netzwerke Orbáns auf; in der Slowakei finanzierte er Projekte für Roma, was die Regierung nicht goutierte. Der Kreml hat Probleme mit ihm, weil er in der Ukraine und in Georgien Organisationen unterstützte, die an den Revolutionen beteiligt waren.
Was ist an den Gerüchten dran, Soros wolle Millionen Migranten in die EU locken?
Sie fußen auf eigenen Aussagen des Milliardärs. Er hatte 2016 vorgeschlagen, jährlich gedeckelt 300.000 Personen Schutz zu gewähren und die Menschen gerecht über alle EU-Länder zu verteilen – etwas, was viele osteuropäische EU-Staaten ablehnten. Soros’ Idee, die nichts mit der Flüchtlingskrise zu hatte und sie auch nicht auslöste, passt einfach gut ins Anti-EU-Narrativ vieler nationalistischer und rechtspopulistischer Politiker, die ein Diktat von oben heraufbeschwören: Heinisch spricht davon, dass Soros – als Jude – als Chiffre dient, die für „Macht, Geld und Einfluss von außen“ steht und die das „Gefühl einer liberalen Verschwörung“ bedient. Verbreitet wird der „Soros-Plan“ hauptsächlich von rechten Blogs und Medien. Soros selbst nannte die Gerüchte „antimuslimisch und antisemitisch zugleich“.
Wieso bedient die FPÖ dieses Thema?
Zum einen: Gudenus ist nicht der erste, der das tut. Schon Norbert Hofer sagte vor einem Jahr, „Soros steuert die Flüchtlingsströme“; im Wahlkampf wurde von FP-nahen Medien wie unzensuriert.at in den Raum gestellt, die Liste Kurz werde von Soros finanziert.
Unbestritten ist, dass Soros liberale und linke Projekte fördert – darum hat Gudenus’ Sager Kalkül, so Heinisch: Er vermutet, dass die FPÖ „rechte, identitäre Themen forcieren will“, weil sie als Regierungspartei zu sehr in die Mitte zu rücken droht. Dass die FPÖ sagt, ihre Kritik sei nicht antisemitisch, weil auch in der Jerusalem Post Kritisches über den Milliardär stand (dort schrieb eine Kolumnistin, Soros finanziere globales Chaos), passt gut ins Bild: Die Autorin des Texts arbeitet mittlerweile beim Rechtsaußen-Magazin Breitbart – und Israels rechter Premier Benjamin Netanjahu steht auch auf Kriegsfuß mit Soros, der dort linke Kampagnen finanziert. Die Konstellation lautet demnach ganz simpel rechts gegen links – und der antisemitische Unterton tut da sein Übriges.
In einem Doppelinterview mit Parteichef Strache im rechten Magazin Alles Roger? hatte Hofer gesagt: "Soros steuert mit Sicherheit einiges auf der Welt, auch die Flüchtlingsströme. Das weiß man."
Auf die Frage, ob er das heute immer noch so sieht, sagte Hofer am heutigen Dienstag zur APA: "Ich glaube, dass Kritik an einer Person gerechtfertigt sein darf, dass diese Kritik aber niemals überzogen sein soll." Wie lautet also die Kritik? "Was ich damals gesagt habe, muss erlaubt sein - persönliche Haltungen kritisch zu sehen." Auch was Gudenus gesagt habe, müsse erlaubt sein. Hofer sagte auch, er habe für sich "entschieden, hier nicht weiter zu emotionalisieren, damit hier Ruhe hineinkommt".
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