Sicherheitsstrategie: Bürger sollen mehr mitreden

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Außenministerium präsentierte Bericht zu Dialogforum über Sicherheitsstrategie.

Sicherheit sei „die Königsdisziplin des Regierens“, sagt Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) – und verweist auf die neue Sicherheitsstrategie der USA unter Donald Trump: „Wir können nicht mehr die Augen vor der Geopolitik verschließen. Wir müssen uns um unseren eigenen Schutz kümmern.“ Gleichzeitig betont sie, dass sie die angeblichen Pläne der USA, unter anderem Österreich aus der EU zu brechen, nicht sonderlich überraschen: „Wer sich etwa das Project 2025 der Heritage Foundation vergangenes Jahr durchgelesen hat, weiß, worum es geht.“ Sie werde dennoch bald den neuen US-Botschafter Arthur Fisher treffen.

Das Thema, zu dem das Außenministerium geladen hatte, drehte sich ebenfalls um eine Sicherheitsstrategie, allerdings um die österreichische, die bald aktualisiert werden soll – und zwar erstmals mit Bürgerbeteiligung. Genau das sollte das „Dialogforum Sicherheit Österreich“ leisten, dessen Abschlussbericht Meinl-Reisinger am Donnerstag gemeinsam mit ihrem sicherheitspolitischen Berater Thomas Starlinger und zwei Teilnehmern des Forums präsentierte.

Sicherheit über das Militär hinaus

Rund 100 repräsentativ ausgewählte Bürger diskutierten an drei Samstagen über Bedrohungen, Rollenbilder und Österreichs Platz in Europa. Aus den Gesprächen entstand eine Prioritätenliste, die nun direkt in die Überarbeitung der Österreichischen Sicherheitsstrategie einfließen soll. Der Bericht zeigt: Die Bürger würden Sicherheit weit über klassische Militärfragen hinaus denken. 

Sorgen bereiten vor allem Cyberangriffe, Migration, die Verletzbarkeit kritischer Infrastruktur, der Verfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Gleichzeitig bleibt Österreichs Neutralität emotional stark verankert – als Teil der staatlichen Identität –, wird, laut Bericht, aber als Schutzschild nur von einer Minderheit wirklich ernst genommen.

„Offener Diskurs“

Cornelia Kafka, eine der Teilnehmerinnen, beschreibt ihre Motivation so: „Ich bin politisch interessiert – aber vor allem habe ich einen Hunger danach, mitgestalten zu können.“ Im Forum, erzählt sie, sei „professionell zugehört“ worden: „Uns wird immer Politikverdrossenheit zugeschrieben. Das habe ich hier nicht gesehen.“ Der Diskurs sei „offen und sehr ehrlich geführt“ gewesen – „nicht so, wie man es von Social Media kennt“.

Auch Teilnehmer Heinrich Schalk hebt den Charakter des Experiments hervor. Etwa hundert Menschen aus unterschiedlichen Bundesländern, Altersgruppen und Bildungsniveaus hätten drei Tage lang miteinander intensiv miteinander diskutiert: „Jede Meinung sollte eingefangen werden.“ Viele Positionen seien „nicht kompatibel mit jenen anderer Teilnehmer“ gewesen, doch am Ende habe sich gezeigt: „Sicherheit ist ein verbindendes Thema. Dann sieht man, dass die Gemeinsamkeiten mehr sind als das Trennende.“ Dass das Format „nicht in die Hose gegangen“ sei, führt er auf die professionelle Moderation und Protokollierung zurück – und sieht darin „unheimliches Potenzial“ für weitere Beteiligungsprojekte.

Auftakt zu etwas Neuem?

Für Starlinger ist das Dialogforum vor allem eines: „Der Beginn einer Diskussion mit der Bevölkerung über Sicherheitspolitik.“ Zentrales Stichwort sei Resilienz – also die Widerstandskraft der Gesellschaft gegenüber Krisen. Bildung spiele dabei eine Schlüsselfunktion, von Medienkompetenz bis zu Grundwissen über internationale Politik. Der Prozess laufe nun weiter: Die Ergebnisse liegen bei den Ressorts und den Wehrsprechern der Parteien, im ersten Quartal 2026 sollen die nächsten Schritte der politischen Behandlung folgen.

Bleibt die Frage, ob das Dialogforum mehr ist als ein einmaliger Beteiligungsstreich. Meinl-Reisinger sieht darin eine Antwort auf das vielzitierte Misstrauen gegenüber der Politik: „Vielleicht sind die Menschen politikerverdrossen – das kann ich nachvollziehen. Aber solche Bürgerforen können eine Brücke sein, um Vertrauen wiederherzustellen.“ Ob diese Brücke trägt, wird sich zeigen, wenn die neue Sicherheitsstrategie 2026 im Parlament landet – und sich beweisen muss, wie viel Bürgerbeteiligung tatsächlich in ihr steckt.

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