Selenskij fordert in Rede vor Bundestag deutsche Führungsrolle

Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij an den deutschen Bundestag
In einem daramatischen Video-Auftritt bittet der ukrainische Präsident Deutschland um Hilfe, spart aber auch nicht an Kritik.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat die Lage seines Landes mit jenem des geteilten Deutschlands im Kalten Krieg verglichen. Die Menschen in der Ukraine wollten frei leben und sich nicht einem anderen Land unterwerfen, sagte Selenskij am Donnerstag in einer Videoansprache vor dem Bundestag.

Wolodimir Selenskij Spricht zum US-Senat und dem deutschen Bundestag

Es gehe darum, die von Russland heute errichtete Mauer einzureißen und den Krieg zu stoppen, spielte er an die Berliner Mauer an.

„Sie befinden sich irgendwie wieder hinter der Mauer, nicht Berliner Mauer, aber mitten in Europa, wo es Freiheit gibt. Und diese Mauer ist stärker, mit jeder Bombe, die auf unseren Boden in der Ukraine fällt.“Er sagte: „Lieber Herr Bundeskanzler Scholz, zerstören Sie die diese Mauer. Geben Sie Deutschland die Führungsrolle, die Deutschland verdient.“

Selenskij fordert in Rede vor Bundestag deutsche Führungsrolle

Selenskij spielte mit seinen Aussagen an die berühmte Rede von US-Präsident Ronald Reagan im Jahr 1987 vor der Brandenburger Tor an, als dieser mit Blick auf die damals die deutsche Hauptstadt teilende Mauer den sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow aufgefordert hatte, „diese Mauer niederzureißen“. Das Brandenburger Tor befindet sich in unmittelbarer Nähe des Reichstagsgebäudes, das zwischen 1961 und 1989 an drei Seiten von der Mauer umgeben gewesen war.

In seinem Land seien Zivilisten und Soldaten wahllos Ziel russischer Angriffe. „Russland bombardiert unsere Städte und zerstört alles, was in der Ukraine da ist. Das sind Wohnhäuser, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen, alles. Mit Raketen, mit Luftbomben, mit Artillerie. In drei Wochen sind sehr viele Ukrainer gestorben, Tausende. Die Besatzer haben 108 Kinder getötet, mitten in Europa, bei uns im Jahre 2022“, sagte Selenskij.

Und: „Wieder versucht man in Europa, das ganze Volk zu vernichten.“

Selenskij betonte in seiner Rede auch die Entschlossenheit seines Landes, der Europäischen Union beizutreten. „Die Ukraine wird in der EU sein“, sagte er.

Kritisch äußerte er sich zur westlichen Politik gegenüber Russland im Vorfeld des Krieges und nannte konkret das lange Festhalten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 sowie die Weigerung, das Land in die NATO aufzunehmen.

Deutschland habe daran mitgewirkt, eine Mauer zu errichten, um die Ukraine zu isolieren und Russland auszuliefern, kritisierte er.

Die Bundestagsabgeordneten waren vor der Rede aufgestanden und begrüßten den auf einer Videoleinwand zugeschalteten Selenskij mit Applaus.

Selenskij: Seine Rede im deutschen Bundestag in voller Länge

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