Dieser Mann könnte Selenskij bei Wahlen gefährlich werden

FILE PHOTO: Chief of the Ukrainian Armed Forces Zaluzhnyi
Selenskij verlor unter anderem durch Korruptionsskandale an Zustimmung, Ex-General Saluschnij ist beliebt. Neue Umfragen zeigen Brisantes.

Wolodimir Selenskij will wählen lassen – mitten im Krieg. Politisch kommt dieser Schritt in einem Moment, in dem seine Zustimmungswerte weit von den Höchstständen der ersten Kriegsmonate entfernt sind, ein Korruptionsskandal seinen engen Kreis beschäftigt – und sich ein starker Gegenkandidat bereitmachen könnte: der Ex-Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Walerij Saluschnij, seit Februar 2024 Botschafter in London.

Offene Fragen rund um die Wahlorganisation

Noch ist völlig unklar, wie diese Wahlen bewerkstelligt werden sollen, wo gewählt wird, wie mit den Auslands-Ukrainern und jenen Ukrainern in den russisch besetzten Gebieten verfahren werden soll. Doch augenscheinlich hat sich Selenskij hier dem Druck Donald Trumps gebeugt. Angenommen, die Wahlen finden statt, zeigt sich folgendes Bild:

Nach Beginn des russischen Angriffs 2022 schoss das Vertrauen in den ukrainischen Präsidenten auf rund 90 Prozent – ein klassischer „Rally-around-the-flag“-Effekt.

Seither ist die Kurve brüchiger geworden. Das Kyiv International Institute of Sociology (KIIS) misst seit Ende 2023 einen schrittweisen Rückgang. Im Juni 2024 kommt eine andere anerkannte Institution, das Razumkov-Zentrum, auf 54 Prozent persönliche Zustimmung zu Selenskij und 50 Prozent Vertrauen in das Amt des Präsidenten

BRITAIN-UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT

Saluschnij in London

2025 – ein Jahr der politischen Turbulenzen

2025 zeigt das Bild eine Wellenbewegung: Im Februar liegt Selenskijs Beliebtheit laut einem von Reuters ausgewerteten Forschungsprojekt ukrainischer und westlicher Politologen bei 63 Prozent – deutlich höher als von Donald Trump öffentlich behauptet. Nach der Demütigung durch Trump in Washington steigt sein Vertrauenswert im Frühjahr wieder, KIIS registriert Anfang Mai 2025 noch einmal 74 Prozent.

Der Korruptionsskandal als Wendepunkt

Doch die Dynamik kippt im Juli. Der Grund: ein im Blitzverfahren verabschiedetes und vom Präsidenten unterschriebenes Gesetz, das de facto die Anti-Korruptionskämpfer im Land lahmlegt. Das Gesetz entzieht dem Nationalen Antikorruptionsbüro (NABU), das vor zehn Jahren unter dem Druck der USA und der EU gegründet wurde, seine Unabhängigkeit. Selenskij rudert zurück. Doch im November decken die Antikorruptionsbehörden einen weiteren Skandal auf: Es handelt sich um den größten Bestechungsskandal der jüngeren Geschichte des Landes: An die 100 Millionen Dollar aus dem Energiesektor sollen veruntreut worden sein. Nach einer Hausdurchsuchung beim Leiter des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, tritt dieser zurück.

Salusznij vs. Selenskij – das Kopf-an-Kopf-Rennen

Zurück zum Sommer 2025: Laut Rating Group Ukraine hätten im August 74 Prozent der Befragten in Saluschnij, 68 Prozent in Selenskij Vertrauen gehabt.

Am Dienstag meldete die Onlinezeitung „Kyiv Independent“ unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage: Nur noch 20 Prozent der Befragten würden „heute“ für Selenskij stimmen; Saluschnij liegt mit 19,1 Prozent knapp dahinter.

Simulierte Duelle – und deutliche Ergebnisse

Ex-General Saluschnij, mittlerweile Botschafter in London, ist damit die einzige Figur, die derzeit Selenskij gefährlich werden kann, zumal sich in einem etwaigen zweiten Wahlgang mehr Wähler Saluschnij zuwenden würden. Zumindest laut Umfragen.

Eine Serie von Befragungen des ukrainischen SOCIS-Instituts (es steht dem Ex-Präsidenten Petro Poroschenko nahe, der eher chancenlos wäre) simuliert seit 2024 ein Duell Selenskij gegen Saluschnij. Das Ergebnis: Der Präsident würde in allen Szenarien klar verlieren, zuletzt im November 2025 mit 26 zu 49,5 Prozent.

Warum Saluschnij?

Bereits bei der Verteidigung Bachmuts bis zu dessen Fall im Frühling 2023 waren Selenskij und sein Oberbefehlshaber unterschiedlicher Meinung: Saluschnij empfahl, die Stadt aufzugeben, um die hohen Verluste der ukrainischen Streitkräfte zu reduzieren und genügend Soldaten für die Gegenoffensive im Süden zur Verfügung zu haben.

Selenskij wollte die Stadt halten und zum „Symbol des Widerstands“ machen. Als Saluschnij im Herbst einen aufsehenerregenden Essay veröffentlichte, in dem er ausführte, was notwendig wäre, aus der „militärischen Pattstellung“ herauszukommen, war das für Selenskij ein Affront: Er hielt daran fest, dass die Ukraine sowohl die Krim als auch den Donbass zurückerobern müsse, ehe Frieden geschlossen werden könne. Ein mittlerweile illusorisches Ziel.

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Das Foto der Weglobung im Februar 2024

Schon damals war Saluschnij seinem Präsidenten in Umfragen gefährlich nahegerückt, galt und gilt als Volksheld. Als integrer Soldat – und wurde im Februar 2024 nach London weggelobt. Dass er dort starke Kontakte knüpfen konnte, liegt auf der Hand. Ob er tatsächlich in einen Wahlkampf eintritt, steht in den Sternen.

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